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Nach(t)kritik

So, 30.04.2023
16.00 Uhr

Vivaldi – erzählt, musiziert, getanzt!

Veranstaltung: Heinrich Klug & Münchner Philharmoniker: "Die Jahreszeiten" von Antonio Vivaldi

Antonio Vivaldis berühmte, zu Recht vielgespielten Concerti grossi unter dem Titel „Die vier Jahreszeiten“ sind wahrlich hochvirtuose Programm-Musik des Barock: ob zart aufblühender „Frühling“, schwül brütender „Sommer“, reiche Ernte und Jagd im „Herbst“ oder die klamme, bibbernde Kälte des „Winters“! Das erzählt die ungemein illustrative Musik fast von sich aus und notfalls ohne wortreiche Erläuterung. Aber Heinrich Klug hätte nicht fast ein halbes Jahrhundert als ehemaliger Solo-Cellist des Orchesters (von 1963-2000)  die Kinderkonzerte der Münchner Philharmoniker (und eben auch die Familienkonzerte in Gauting) organisiert und moderiert, wenn er sich nicht zum Abschied – mit 88, die man ihm wahrlich nicht ansah! – mit Leidenschaft und Feuereifer einmal mehr auf diese herrliche Musik gestürzt hätte und sie mit jungenhaftem Elan und einem Eifer präsentierte, als würde sie noch niemand kennen!

Zusammen mit den beiden berühmten Gautinger Geigerinnen Julia Fischer und  Lena Neudauer, die sich vor und nach der Pause die virtuosen Soli teilten, den Gautinger „Kindersinfonikern“, dem Komponisten Johannes Schachtner am kleinen, manchmal kaum hörbaren Cembalo, der jungen Sopranistin Serafina Starke, die auch als Hosenrolle, in der sie wunderbar frech den Komponisten Vivaldi selbst darstellte, eine gute Figur machte, und dem Ballettensemble der Musikschule Gauting, wurde es ein launiger Sonntagnachmittag. Es durfte von allen auch aktiv mitgemacht werden. Aber nicht wenige der jungen Zuhörerinnen und Zuhörer mochten es bedauert haben, dass sie nicht das wunderbar laute Donnerblech betätigen durften. Umso eifriger wurde zu Vivaldis Melodien mitgesungen oder, den prasselnden Regen darstellend, mitgetrampelt! Und wer noch nicht wusste, welche Vogelstimmen Vivaldi da jeweils genau komponiert hatte, erfuhr, dass es Amsel, Nachtigall (und nicht die Lerche!), Kuckuck, Turteltaube und – Distelfink waren! Aber auch Bauer und Bäuerin samt Großvater hatten ihre solistischen Auftritte als Cello, Bratsche und Kontrabass! Und wie eine Glasscheibe klingt oder ein Gewehrschuss („mit Praller am Steg“!) erfuhr man auch hautnah.

Heinrich Klug moderierte und dirigierte den Nachmittag mit der Frische und dem Humor eines jungen Mannes, Serafina Starke sang als Vivaldis Primadonna Anna Giro mit fein leuchtendem Sopran und lupenreinen Spitzentönen unter anderem eine Nachtigallen-Arie (aus „Arsilda“) und eine rasante Sturm-Arie Vivaldis (aus „Tito Manlio“), oder wie Klug leicht übertreibend betonte, „ganze 825 Töne in zwei Minuten!“ Was sechs Tänzerinnen der Musikschule Gauting als junge Amseln, etwas tumbe Jäger, betrunkene Bauern und nicht ganz trittfeste Schlittschuhläuferinnen zu diesem musikalischen Nachmittag betrugen, war ebenfalls ebenso charmant wie exzellent; nur schade, dass das Ganze nach knappen zwei Stunden schon zu Ende war!

Kleiner Trost: Die Gautinger Familienkonzerte werden 2024 fortgeführt. Dann wird die großartige Sängerin, Schauspielerin und Cellistin Salome Kammer mit Johannes Schachtner unter dem Titel „Album für die Jugend“ einen Tag im kinderreichen Hause Robert und Clara Schumann gestalten, in dem auch der blutjunge Johannes Brahms ein- und ausging. Darauf darf man sich heute schon freuen!

Klaus Kalchschmid, 01.05.2023


Direkt nach der Veranstaltung schreiben professionelle Kulturjournalist*innen eine unabhängige Kritik zu jeder Veranstaltung des Theaterforums. Diese Kritik enthält dabei ausschließlich die Meinung der Autor*innen.
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So, 30.04.2023 | © Werner Gruban - Theaterforum Gauting e.V.