Nach(t)kritik
Von der Normativität des Erikativs
Veranstaltung: Gerd Holzheimer: Saubande, dreckade: Die komische KunstkammerDas Wort „Witz“ hat eine lange Begriffsgeschichte. Schon im Althochdeutschen kannte man „wissan“, was so viel wie Wissen und Verstand bedeutet. Das mittelhochdeutsche „wizze“ beschrieb den gesunden Menschenverstand, und noch zu Lebzeiten Goethes galt als Witz jene Fähigkeit, besonders überzeugende, „gewitzte“ Bilder für einen Tatbestand zu benennen. Man kann also mit Fug und Recht behaupten, dass die Fähigkeit zum Humor mit einem scharfen Verstand einhergeht. In diesem Sinne eröffnete „Die komische Kunstkammer“ – der zweite Teil der Literaturreihe „Kunstkammern“ von und mit Gerd Holzheimer – aufschlussreiche und zugleich hochamüsante Einblicke in den Mikrokosmos besonders gewitzter Schriftsteller aus dem süddeutschen Raum.
Angereichert mit zahlreichen persönlichen Anekdoten ließen der Wesslinger Schauspieler und Rezitator Peter Weiss und der Gautinger Schriftsteller Gerd Holzheimer „witzige Köpfe“ wie den fränkischen Querdenker Jean Paul, den österreichischen Wortakrobaten Johann Nestroy, den Grenzgänger Ödön von Horvath, den oberbayrischen Querschädel Oskar Maria Graf und natürlich auch den Würmtaler Pierrot Karl Valentin zu Wort kommen. Frei nach dem Motto, dass die beste aller Welten jene ist, die in der Kunstkammer Hirn ihren Platz findet, wurde hier eine Tür aufgemacht, die den Blick freigab auf den Globus des Abgründigen, voll Tiefgang und manch einer terra incognita.
„Wenn alle Strick reißen, häng ich mich auf“, lautet das Lieblingszitat Gerd Holzheimers, ausgesprochen hat es Johann Nestroy, der keinesfalls jener Schmierenkomödiant war, als der er häufig auf den Bühnen des Landes herunterinszeniert wird. Nestroy verstand mit Sprache umzugehen wie kaum ein anderer Zeitgenosse, er war ein Virtuose des gewitzten Bildes, wie das Nestroy-Alphabet, in falscher Richtung rezitiert von Z wie Zufall bis A wie Alkoholismus von Peter Weiss und mit süffigen Fußnoten versehen von Gerd Holzheimer. Vom Alkoholismus aus Verdruß an der Verzweiflung weiß Knierim aus dem „Lumpacivagabundus“ zu berichten, und es war ebendieses Theaterstück Nestroys, das Peter Weiss noch als Schüler zum Theater brachte – damals in einer Schultheateraufführung des Gymnasiums Tutzing.
Ein „Beutebayer“ ist Johann Paul Richter, der sich selbst aufgrund seiner Verehrung des Aufklärers Jean Jaques Rousseau den französischer klingenden Namen Jean Paul gab. Seine größtenteils heute nicht mehr wirklich zu verstehenden und sehr gern in germanistischen Hauptseminaren zerpflückten Bücher – mit Titeln wie „Siebenkäs“ oder „Des Luftschiffers Giannozzo Seebuch“ – bersten vor Witz im Sinne von Verstand. Wenn beispielsweise eine Romanfigur aus der Geschichte heraus ihren Kopf hervorstreckt und darum bittet, der Herr Johann Paul möge kommen und sie charakterisieren, weil eben dieser allein das könne, so ist dies hochmodern und zugleich von perfider Komik. Zu Recht weist Gerd Holzheimer darauf hin, dass in Schwarzbach an der Saale nicht nur ein versteckter Gedenkstein dem Humoristen Jean Paul gewidmet ist, sondern ein zweiter Stein auf die Micky-Maus-Übersetzerin Erika Fuchs hinweist, die der deutschen Sprache einen eigenen Fall gewidmet hat – den Erikativ. All die „Ächzs“und „Stöhns“ der Comics stehen in diesem Fall, Gerd Holzheimers Lieblings-Erikativ lautet „Achselzuck“.
Was aber bringt den Menschen zum Lachen? Was genau löst diesen so besonderen, menschlichen Reflex aus? Holzheimer hat sich, als er eine Biographie über den Satiriker Gerhard Polt schreiben sollte, einen ganzen Sommerurlaub lang mit dieser Frage beschäftigt und tief in der Kulturgeschichte gewühlt. Das Ergebnis lautet: die Sprache selber stellt den Auslöser für das befreiende, herzliche Lachen. Sie haben es gewusst, all die Nestroys, Thomas, Valentins und Polts, und kein Geringerer als Oskar Maria Graf hat es einem seiner Helden ausgerechnet in der Sterbestunde in den Mund gelegt: „Lachen tat ich, wann ma nachert an falschen Glauben g´habt hättn!“
Angereichert mit zahlreichen persönlichen Anekdoten ließen der Wesslinger Schauspieler und Rezitator Peter Weiss und der Gautinger Schriftsteller Gerd Holzheimer „witzige Köpfe“ wie den fränkischen Querdenker Jean Paul, den österreichischen Wortakrobaten Johann Nestroy, den Grenzgänger Ödön von Horvath, den oberbayrischen Querschädel Oskar Maria Graf und natürlich auch den Würmtaler Pierrot Karl Valentin zu Wort kommen. Frei nach dem Motto, dass die beste aller Welten jene ist, die in der Kunstkammer Hirn ihren Platz findet, wurde hier eine Tür aufgemacht, die den Blick freigab auf den Globus des Abgründigen, voll Tiefgang und manch einer terra incognita.
„Wenn alle Strick reißen, häng ich mich auf“, lautet das Lieblingszitat Gerd Holzheimers, ausgesprochen hat es Johann Nestroy, der keinesfalls jener Schmierenkomödiant war, als der er häufig auf den Bühnen des Landes herunterinszeniert wird. Nestroy verstand mit Sprache umzugehen wie kaum ein anderer Zeitgenosse, er war ein Virtuose des gewitzten Bildes, wie das Nestroy-Alphabet, in falscher Richtung rezitiert von Z wie Zufall bis A wie Alkoholismus von Peter Weiss und mit süffigen Fußnoten versehen von Gerd Holzheimer. Vom Alkoholismus aus Verdruß an der Verzweiflung weiß Knierim aus dem „Lumpacivagabundus“ zu berichten, und es war ebendieses Theaterstück Nestroys, das Peter Weiss noch als Schüler zum Theater brachte – damals in einer Schultheateraufführung des Gymnasiums Tutzing.
Ein „Beutebayer“ ist Johann Paul Richter, der sich selbst aufgrund seiner Verehrung des Aufklärers Jean Jaques Rousseau den französischer klingenden Namen Jean Paul gab. Seine größtenteils heute nicht mehr wirklich zu verstehenden und sehr gern in germanistischen Hauptseminaren zerpflückten Bücher – mit Titeln wie „Siebenkäs“ oder „Des Luftschiffers Giannozzo Seebuch“ – bersten vor Witz im Sinne von Verstand. Wenn beispielsweise eine Romanfigur aus der Geschichte heraus ihren Kopf hervorstreckt und darum bittet, der Herr Johann Paul möge kommen und sie charakterisieren, weil eben dieser allein das könne, so ist dies hochmodern und zugleich von perfider Komik. Zu Recht weist Gerd Holzheimer darauf hin, dass in Schwarzbach an der Saale nicht nur ein versteckter Gedenkstein dem Humoristen Jean Paul gewidmet ist, sondern ein zweiter Stein auf die Micky-Maus-Übersetzerin Erika Fuchs hinweist, die der deutschen Sprache einen eigenen Fall gewidmet hat – den Erikativ. All die „Ächzs“und „Stöhns“ der Comics stehen in diesem Fall, Gerd Holzheimers Lieblings-Erikativ lautet „Achselzuck“.
Was aber bringt den Menschen zum Lachen? Was genau löst diesen so besonderen, menschlichen Reflex aus? Holzheimer hat sich, als er eine Biographie über den Satiriker Gerhard Polt schreiben sollte, einen ganzen Sommerurlaub lang mit dieser Frage beschäftigt und tief in der Kulturgeschichte gewühlt. Das Ergebnis lautet: die Sprache selber stellt den Auslöser für das befreiende, herzliche Lachen. Sie haben es gewusst, all die Nestroys, Thomas, Valentins und Polts, und kein Geringerer als Oskar Maria Graf hat es einem seiner Helden ausgerechnet in der Sterbestunde in den Mund gelegt: „Lachen tat ich, wann ma nachert an falschen Glauben g´habt hättn!“
Sabine Zaplin, 28.10.2015
Direkt nach der Veranstaltung schreiben professionelle Kulturjournalist*innen eine unabhängige Kritik zu jeder Veranstaltung des Theaterforums. Diese Kritik enthält dabei ausschließlich die Meinung der Autor*innen.