Nach(t)kritik
Von Grant und Glow
Veranstaltung: Eva Karl Faltermeier: Es geht dahiFür ein Nordlicht wie die Rezensentin war der Abend durchaus eine Herausforderung: zwar lebt die Rezensentin bereits seit mehr als dreissig Jahren in Bayern, aber eben in Oberbayern. Der Abend mit Eva Karl Faltermeyer war somit ein Crash-Kurs in Oberpfälzerisch und den dort gepflegten tiefschwarzen Humor, in Kombination mit einem Grant von besonders tiefgründigem Charme. Nach einer Klärung der Besonderheiten des Oberpfälzisch - der Diphtong „ouw“ und seine Bildung in der hinteren Gaumenwölbung spielt dabei eine besondere Rolle - ging es mitten hinein in Evas Kindheit, Pubertät und Zeit der Familiengründung. Die Rahmenhandlung des Programms mit dem eine charakteristische Oberpfälzer Grundhaltung benennenden Titel „Es geht dahi“ orientierte sich am klassischen Setting einer Gesprächstherapie: konfrontiert mit der wiederholten Therapeutenfrage auf die Schilderung des Lebenswegs - „Und wie fühlen Sie sich jetzt?“ - breitete Eva Karl Faltermeier die Stationen desselben aus und flocht darin immer wieder messerscharfe politische Beobachtungen und Kommentare ein. Hinter den Hasskommentaren im Internet beispielsweise erkennt sie „Leute, die hätten sie früher nicht mal an den Stammtisch gelassen“. Der alltägliche Rassismus, Sexismus, der Terror von Rechts und die Aktivitäten der AfD hinterlassen bei ihr eine Fassungslosigkeit angesichts des eigenen Aufwachsens mit einem über Schule und Gesellschaft deutlich vermittelten Geschichtsbewusstsein hinsichtlich Faschismus und Nationalsozialismus: „Waren wir da in der Aufklärung nicht schon mal viel weiter?“
Aber eine Gegenwart, in der die wichtigste Frage die der perfekten Selbstdarstellung ist und jede Lebensregung mit alles Unperfekte kaschierenden Filtern auf Instagram gepostet wird, ist der Blick nach außen ein wenig verloren gegangen. Vielleicht lernt eine Oberpfälzerin das von klein auf, weil dort im Nebeldelta der kurze Moment am Tag, an dem sich die Sonne zeigt, sofort wahrgenommen und alles, was in der Nähe ist, bei Licht betrachtet werden muss.
Eva Karl Faltermeier gestaltet ihr Programm als einen durchgehenden Monolog, den sie zudem in rasantem Tempo abspult. Dabei trägt sie eine „Es geht dahi“-kompatible Bitterbös-Mine, aus der der Grant aus den herabgezogenen Mundwinkeln drängt, während die Augen hinter der starken Brille - alle Oberpfälzer, hat die Rezensentin gelernt, haben mindestens acht Dioptrin - hellwach funkeln.
Eine Angststörung, erzählt sie, war der Auslöser für die Therapie. Und für Angststörungen bietet die Welt tatsächlich genügend Anlass. Im Großen ebenso wie im Kleinen: so trägt auch der in ihrer Generation gerade um sich greifende Hochzeitsrausch dazu bei, so dass Eva nach all den Insta-tauglichen Zeremonien inzwischen viel lieber auf Beerdigungen geht: da gibt es keine Sarg-Entführungen, und auch der Brauch des Kränzewerfens zum Zwecke des Feststellens, wer als nächster dran ist, hat sich noch nicht durchgesetzt. „Und niemand erklärt: postet bitte die Fotos von Evas Beerdigung alle unter dem Hashtag #ausismitdaeva.“
Die Rezensentin hat viel gelernt über den besonderen Blues in der Oberpfalz und auch, dass „Bowl“ und „Glow“ in ihrem Ursprung Oberpfälzerische Ausdrücke sind. Vor allem aber hat sie eine Kabarettistin erlebt, die phantastisch mit Sprache umzugehen versteht und der es gelingt, aus Alltäglichem heraus den Blick auf das Ganze zu richten.
Direkt nach der Veranstaltung schreiben professionelle Kulturjournalist*innen eine unabhängige Kritik zu jeder Veranstaltung des Theaterforums. Diese Kritik enthält dabei ausschließlich die Meinung der Autor*innen.