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Nach(t)kritik

Do, 27.10.2022
20.00 Uhr

Weniger!

Veranstaltung: Axel Pätz: Mehr! - Tastenkabarett

Selten ist die Rezensentin so ratlos aus einer Kabarettvorstellung im bosco zurückgekehrt wie am Donnerstagabend. Ratlos war sie vor allem, weil sie nicht einzuschätzen wusste, wen und auch was Axel Pätz mit seinem Program „Mehr!“ eigentlich erreichen wollte. Da gab es beispielsweise eine Nummer über die Begeisterung seiner Ehefrau für die Betrachtung und den Erwerb von Schuhen. Nichts, so der Künstler, könne seine Frau so erfreuen wie ein oder mehrere („Mehr!“) Paare Schuhe. Nun ist eine Kabarettnummer zum Thema „Frauen und Schuhe“ ohnehin nicht besonders originell, aber es dürfte sich mittlerweile auch nach Hamburg herumgesprochen haben, dass Frauen mehr kennzeichnet als der Besuch im Schuhgeschäft, so wie auch Männer deutlich mehr Interessen haben als Autos. Vermutlich, so dachte die Rezensentin, will dieser Künstler sein Publikum testen, ob es die irgendwo versteckte Hintergründigkeit der oberflächlichen Banalität entdeckt, den doppelten Boden entziffert.

Vielleicht ist eine satirische Betrachtung des Gartenarbeitsgerätes Laubbläser, die seit etlichen Jahren in Kabarettprogrammen zu finden ist, angesichts von Klima- und Energiekrise tatsächlich aktuell und auch einer weiteren Variante würdig. Bestimmt sind auch humoristische Anmerkungen zur elterlichen Namensauswahl für den Nachwuchs immer wieder lustig, da sich hier doch stets neue abenteuerliche Kombinationen erfinden lassen und ein „Dschäisn-Maximilian“ noch nicht dabei war. Aber wo ist die Hintergründigkeit bei einem Lied über den Rollator, wenn diese Mobilitätshilfe neben so manchem Stuhl im Saal geparkt ist?

Zugegeben: die Beschäftigung mit zügellosem Konsum und einer auf das immerwährende, aber bitte schnell zu bestellende und im Fall des Nichtgefallens kostenlos zurückzusendende Glück bestehenden Gesellschaft ist ehrenwert und Axel Pätz in vielen Nummern gelungen. Die Beobachtung, dass Menschen hierzulande gern viel Geld für einen SUV ausgeben, um darin bequem und vor allem hoch sitzen zu können, während sie gleichzeitig nicht bereit sind, für ein Stück Fleisch einen angemessenen Preis zu zahlen, trifft ins Schwarze. Dass das Stück „Gut und billig“ dann auf einem luxuriösen Lifestyle-Grill landet, ist ebenfalls einen - vermutlich mancher Selbsterkenntnis geschuldeten - Lacher wert. Aber ein Gag unter dem Aspekt „Mehr!“ über einen multimaladen Freund, der nicht nur „Knie, Hüfte, Rücken“ hat, sondern auch „Krebs, Muschel, Hummer“, so dass der Künstler sich die Frage stellen muss, was man jemandem noch schenken soll, der schon alles hat - da hätte sich mancher im Saal vermutlich ein „Weniger“ gewünscht.

Vielleicht waren das auch alles Tricks, um die Aufmerksamkeit des Publikums zu testen. Und so wird die Rezensentin jetzt nicht hereinfallen und den Titel eines Songs des Tastenkünstlers als Steilvorlage nehmen: „Das Hirn ist im Arsch“. Das wäre zu einfach.

Sabine Zaplin, 28.10.2022


Direkt nach der Veranstaltung schreiben professionelle Kulturjournalist*innen eine unabhängige Kritik zu jeder Veranstaltung des Theaterforums. Diese Kritik enthält dabei ausschließlich die Meinung der Autor*innen.
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Do, 27.10.2022 | © Werner Gruban - Theaterforum Gauting e.V.