Nach(t)kritik
Weniger ist mehr
Veranstaltung: Sabine Karb: "Fast Fashion"Anziehen, Ausziehen. Shoppen. Show und Shelter. Outfits im Sale, im Internet, auf dem Wühltisch. Das perfekte Outfit für den Tag, die Stunde, die Minute. Fashion ist „fast“ geworden und wird immer schneller. Die Tänzerin, Tanzpädagogin und Choreographin Sabine Karb hat mit einem achtköpfigen Ensemble - Réka Baumgärtner, Sofia Bondarenko, Clara Lipp, Emilie Karb, Ida Schönamsgruber, Mariana da Silva Guilherme und Johanna Ziegler - ein Tanztheater für Jugendliche über jenes Thema entwickelt, das junge Menschen im Teenageralter über die Maßen beschäftigt: Mode. TV-Events wie „Germanys Next Topmodel“, Instagram-Kanäle mit Fashion-Influencern und nicht zuletzt immer wieder der eigene Freundeskreis fordern in dieser Hinsicht heraus. Was trage ich und wer bin ich dann?
Die acht Tänzerinnen erzählen mit den Mitteln des Modern und Contemporary Dance vom schnellen Weg der Mode- Es beginnt beinahe traumgleich und noch sehr ruhig mit jenen Textilien, die noch undefiniert zum Ruhekissen werden. Doch bald schon verwandeln sich die hellen Stoffe zu immer schillernderen Klamotten, werden zu Kleiderbergen, zu Ballast und belasteter Belastung. Immer wieder, immer schneller schlüpfen die Tänzerinnen in Kleidungsstücke, werden mal zu Catwalk-Models, mal zu Schnäppchenjägerinnen. Dann wieder verwandeln sie sich zum lebendigen Sweatshop, sind Näherin und Nähmaschine zugleich, um im nächsten Bild aus Kleidermüll die tragbaren und die unbrauchbaren Stücke zu sortieren. Aus dem „Like“, „Follow“, Share“ des anfangs neben der Bühne flimmernden Handy-Bildschirms wird „Sale“ oder „Reduziert“ als Etikett am Körper, um später zu „rest“ oder „Return“ zu werden.
In der zweiten Hälfte tritt neben den Tanz immer wieder das Wort, werden Fakten genannt wie die Zahl der eingesetzten Chemikalien in der Textilbranche (3.500!) oder die Prozentzahl der innerhalb eines Jahres nach ihrer Herstellung wieder weggeworfenen Kleidungsstücke (60 Prozent!). Und nach und nach werden aus den glitzernden, strahlenden, anfangs noch scheinbar individuell auftretenden Fashion-Kids mehr und mehr eine von außen bewegte, gelenkte Masse müder, benutzter Wesen. Erst gegen Ende, als sie nach und nach entdecken, dass durch Tausch und Verschenken neue Individualiät entsteht, gewinnen die Figuren ihre Kraft zurück.
Natürlich ist das Thema der Fast Fashion, ihrer Kommerzialität und Umweltfeindlichkeit sehr umfassend und vielschichtig. Dennoch hätte manche Kürzung mehr Konzentration und Gewichtung einzelner Aspekte der Produktion gut getan. Manches war leicht redundant.Und wie bei der Kleidung wäre weniger vielleicht mehr gewesen. Doch die Kernaussage am Ende - „Wir haben genug Klamotten für die nächsten sechs Generationen“ - steht deutlich im Raum und erreicht hoffentlich die anwesende Zielgruppe. Share!
Direkt nach der Veranstaltung schreiben professionelle Kulturjournalist*innen eine unabhängige Kritik zu jeder Veranstaltung des Theaterforums. Diese Kritik enthält dabei ausschließlich die Meinung der Autor*innen.