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Nach(t)kritik

Mi, 07.07.2021
19.30 Uhr

You've got a friend

Veranstaltung: 5. Gautinger Bluesnacht: Abi Wallenstein & Ludwig Seuss Trio | San2 & Sebastian (Ersatztermin)

Am Ende standen sie. Die ausgehungerten Bluesfans, die gerade drei Stunden Konzert in sich aufgesogen haben - trotz Maske - und die mitgefeiert, mitgeträumt, mitgesungen haben - auch das trotz Maske - sie alle hielt es nicht mehr auf den Stühlen. All das gerade Erlebte und so lang Entbehrte sollte nicht schon vorbei sein, am liebsten hätten sie sich festgeklammert an den Helden des Abends, den Musikern dieser vermutlich legendär werdenden Fünften Gautinger Bluesnacht: Ludwig Seuss, Abi Wallenstein, San2 und Sebastian, Tom Peschel und Manfred Mildenberger. Das Konzert des Ludwig Seuss Trios mit dem Hamburger Gast, der Blueslegende Wallenstein und mit San2 und Sebastian - hätte schon im Dezember stattfinden sollen und musste aus den bekannten Gründen verschoben werden.

Man stelle sich vor, Weihnachten müsste ausfallen und würde dann, etliche Adventswochen später, doch noch nachgeholt: welch ein Jubel, welch ein Leben wäre da im Haus. Genauso war es!

Den Anfang machte San2. Der gebürtige Ingolstädter kam gemeinsam mit dem Ausnahmegitarristen Sebastian Schwarzenberger ins bosco und brachte sehr viel Melodisches mit, einen höchst spannenden Cross Over zwischen Blues, Folk, einer Prise Country und jeder Menge Soul. „You´ve got a friend“, hieß einer der aktuellen Titel aus dem jüngsten Album, und im Anschluss hatten San2 und Sebastian gleich einen ganzen Saal voll neuer Freunde. Mit sehr viel Charme und Charisma nahmen die beiden ihr Publikum mit in unendlich scheinende Weiten, an Lagerfeuer und zu langen Erzählabenden vor einem sich dunkler färbenden Himmel. Mal übernahm Sebastians Gitarre die Erzählerstimme, mal mischte San2 sich mit der Mundharmonika ein, und wenn er singend erzählte, dann klangen ganze Roadmovies mit an.

Irgendwann gesellte sich Ludwig Seuss dazu, und wie immer, wenn neue Reisegefährten mit an Bord sind, verändert sich ganz leicht, wie durch eine Brise verursacht, die Richtung. Dieser mit allen Wassern des Mississippi- und anderer Flussdeltas gewaschene wunderbare Musiker entführte nun auf heissere Wege, die nach mehr Tempo verlangten, nach Fahrtwind und Bewegung. Und so entspann sich schon vor der Pause ein sehr rascher, auf angenehme Weise hitziger Dialog unter Freunden - You´ve got a friend.

Und dann füllt sich die Bühne. Tom Peschel am Kontrabass und Manfred Mildenberger am Schlagzeug sind schon lange mit Ludwig Seuss unterwegs und kennen als erfahrene Bluesreisende jeden Pfad, jeden Winkel. Sich ihnen anzuvertrauen, heißt, dort anzukommen, wo es wirklich wild und wunderbar wird. Ganz nach dem Geschmack von Abi Wallenstein, mit dessen Auftritt tatsächlich Bluesgeschichte sicht- und hörbar wird. Beinahe möchte man ehrfürchtig werden, doch das lässt dieser großartige Musiker mit seinem fast lausbubenhaften Grinsen gar nicht erst zu. Mit rauer Stimme und seinem so oft beschriebenen, immer wieder umwerfenden Umgang mit der Gitarre verzaubert er das Publikum, die Kollegen auf der Bühne und diesen ganzen längst überfälligen Abend in eine Zeit, die bleiben wird. Am Ende sind sie alle auf der Bühne, dieser Sound gewordene Freundeskreis. Und der Blues über, unter, mit ihnen lebt.

Sabine Zaplin, 08.07.2021


Direkt nach der Veranstaltung schreiben professionelle Kulturjournalist*innen eine unabhängige Kritik zu jeder Veranstaltung des Theaterforums. Diese Kritik enthält dabei ausschließlich die Meinung der Autor*innen.