Nach(t)kritik
Zum Seelenschmelzen
Veranstaltung: Van Baerle Trio: Beethoven und SchubertGlücksgefühl war in den Gesichtern der Musiker während des Konzerts immer wieder abzulesen. Man hat ja auch mit einem Klaviertrio nicht alle Tage die Möglichkeit, so großzügig aus dem Symphonischen zu schöpfen. Diese beiden Werke von Beethoven und Schubert vereinen aber beides: kammermusikalische Feinsinnigkeit und orchestrale Größe. Eine nicht geringe Herausforderung, die das in Amsterdam beheimatete Van Baerle Trio dank der kompromisslosen Hingabe mit spielfreudiger Leichtigkeit bewältigte. Das mitten in den Dreißigern recht junge Ensemble ist trotz großer Auftritte und herausragender Wettbewerbserfolge in gewisser Weise immer noch ein Geheimtipp, was wohl damit zusammenhängt, dass Amsterdam und Holland überhaupt eher abseits der großen Umschlagsrouten für große Namen liegen. Das ist insofern paradox, da doch einer der berühmtesten Konzertsäle, das Koninklijk Concertgebouw, in Amsterdam steht. An der Van Baerlestraat, die dem Ensemble vor 15 Jahren den Namen gab.
Es ist schon ein Glücksfall, dass Beethoven 1807 auf die Idee kam, sein damals acht Jahre altes Septett Es-Dur op. 20 in ein „Grand Trio“ op. 38 umzuwandeln. Im Grunde muss aber das Arrangement als eine neue Schöpfung betrachtet werden, denn von sieben Instrumenten auf drei zu kommen, bedurfte eines gänzlich neuen Klangkonzepts, das je nach Führungspart mit Klarinette oder Violine zusätzlich variiert. Da die Klarinettenstimme direkt aus dem Original verpflanzt wurde, ist die Variante mit Violine eher die stärker abweichende, damit umso eigenwilligere.
Die sechssätzige Anlage sprengt schon alle kammermusikalischen Dimensionen. Dennoch ist die Gefahr von Längen fürs Van Baerle Trio kein Thema. Weil für die drei Musiker, die auch solistisch gut unterwegs sind, jeder Ton ein Ereignis ist, jede Wendung neu und überraschend, jede Farbe ein Fest. Ein solcher Zugriff ist aber nicht per se fesselnd oder gar packend. Dieses Erfolgsrezept des Ensembles funktioniert nur dank ausgereifter Dramaturgien, die das jeweilige Kontrastprogramm zu einem großen Ganzen verbinden, sodass der Spannungsbogen niemals reißt, selbst wenn mal eine Pause im Text vorgesehen ist. Dazu gehört es zudem, unter den weiten Bögen Details spannend herauszuarbeiten und sie kostbar zu verpacken.
Dahingehend sorgte vor allem die Geigerin Maria Milstein, die nicht nur mächtig dramatisieren, sondern – wie im Adagio cantabile betörend – auch in einfühlsamer Zartheit schwelgen konnte, für die empfindsamsten Momente. Und das war schon eine Herausforderung für Gideon den Herder, der am Violoncello die Violinstimme dennoch homogen auszutarieren verstand. Stets klangrund, selbst im Pizzicato.
Das plastische Modellieren des Streicherduos am Flügel adäquat zu beantworten, bedurfte je nach dessen Farbwahl immer wieder neuer spieltechnischer Mittel, um dem unentwegten Changieren der Charakteristik entsprechen zu können. Hannes Minnaar folgte daher keinem festen Schema, ging vielmehr situativ auf die momentanen Befindlichkeiten der Mitspieler ein.
Das sollte in Schuberts unvergleichlichem Klaviertrio B-Dur op. 99, D 898 von 1827 eine noch gewichtigere Rolle spielen. Wie in allen sogenannten Spätwerken des wenige Monate später verstorbenen Komponisten ist der Reichtum an Klangfarben geradezu überbordend. Eine Variante betörender als die andere. Dass es kein bunter Fleckerlteppich wurde, verdankte die Interpretation dem ausgeprägten Sinn des Trios für feinsinnige Nuancen, das mit minuziös erspürten Tönungen die maximalen Effekte zu gewinnen vermochte. Das Werk blühte hier förmlich, mal in vergnügter Buntheit wie im Kopfsatz, mal in warmtoniger Zartheit wie im Andante oder kontrastfreudig frisch im Scherzo. Zu besonderen Raffinesse lief das Van Baerle Trio im Schlussrondo auf, das sich immer wieder neu Erfand, um das Finale immer trickreicher hinauszuschieben. Es steckte etwas Unwillen darin, das Werk zu beenden, wofür sich das Publikum umso dankbarer zeigte. Aber da war noch zum Glück eine Zugabe, die nicht minder überraschte: Beethovens Allegretto ma non troppo aus dem Es-Dur-Trio op. 70/2, ein Satz der „hebt und schmilzt mir die Seele, so oft ich daran denke“, schrieb einst der Publizist Johann Friedrich Reichardt. So dürfte es nun einigen aus dem Gautinger bosco-Publikum ergehen.
Es ist schon ein Glücksfall, dass Beethoven 1807 auf die Idee kam, sein damals acht Jahre altes Septett Es-Dur op. 20 in ein „Grand Trio“ op. 38 umzuwandeln. Im Grunde muss aber das Arrangement als eine neue Schöpfung betrachtet werden, denn von sieben Instrumenten auf drei zu kommen, bedurfte eines gänzlich neuen Klangkonzepts, das je nach Führungspart mit Klarinette oder Violine zusätzlich variiert. Da die Klarinettenstimme direkt aus dem Original verpflanzt wurde, ist die Variante mit Violine eher die stärker abweichende, damit umso eigenwilligere.
Die sechssätzige Anlage sprengt schon alle kammermusikalischen Dimensionen. Dennoch ist die Gefahr von Längen fürs Van Baerle Trio kein Thema. Weil für die drei Musiker, die auch solistisch gut unterwegs sind, jeder Ton ein Ereignis ist, jede Wendung neu und überraschend, jede Farbe ein Fest. Ein solcher Zugriff ist aber nicht per se fesselnd oder gar packend. Dieses Erfolgsrezept des Ensembles funktioniert nur dank ausgereifter Dramaturgien, die das jeweilige Kontrastprogramm zu einem großen Ganzen verbinden, sodass der Spannungsbogen niemals reißt, selbst wenn mal eine Pause im Text vorgesehen ist. Dazu gehört es zudem, unter den weiten Bögen Details spannend herauszuarbeiten und sie kostbar zu verpacken.
Dahingehend sorgte vor allem die Geigerin Maria Milstein, die nicht nur mächtig dramatisieren, sondern – wie im Adagio cantabile betörend – auch in einfühlsamer Zartheit schwelgen konnte, für die empfindsamsten Momente. Und das war schon eine Herausforderung für Gideon den Herder, der am Violoncello die Violinstimme dennoch homogen auszutarieren verstand. Stets klangrund, selbst im Pizzicato.
Das plastische Modellieren des Streicherduos am Flügel adäquat zu beantworten, bedurfte je nach dessen Farbwahl immer wieder neuer spieltechnischer Mittel, um dem unentwegten Changieren der Charakteristik entsprechen zu können. Hannes Minnaar folgte daher keinem festen Schema, ging vielmehr situativ auf die momentanen Befindlichkeiten der Mitspieler ein.
Das sollte in Schuberts unvergleichlichem Klaviertrio B-Dur op. 99, D 898 von 1827 eine noch gewichtigere Rolle spielen. Wie in allen sogenannten Spätwerken des wenige Monate später verstorbenen Komponisten ist der Reichtum an Klangfarben geradezu überbordend. Eine Variante betörender als die andere. Dass es kein bunter Fleckerlteppich wurde, verdankte die Interpretation dem ausgeprägten Sinn des Trios für feinsinnige Nuancen, das mit minuziös erspürten Tönungen die maximalen Effekte zu gewinnen vermochte. Das Werk blühte hier förmlich, mal in vergnügter Buntheit wie im Kopfsatz, mal in warmtoniger Zartheit wie im Andante oder kontrastfreudig frisch im Scherzo. Zu besonderen Raffinesse lief das Van Baerle Trio im Schlussrondo auf, das sich immer wieder neu Erfand, um das Finale immer trickreicher hinauszuschieben. Es steckte etwas Unwillen darin, das Werk zu beenden, wofür sich das Publikum umso dankbarer zeigte. Aber da war noch zum Glück eine Zugabe, die nicht minder überraschte: Beethovens Allegretto ma non troppo aus dem Es-Dur-Trio op. 70/2, ein Satz der „hebt und schmilzt mir die Seele, so oft ich daran denke“, schrieb einst der Publizist Johann Friedrich Reichardt. So dürfte es nun einigen aus dem Gautinger bosco-Publikum ergehen.
Reinhard Palmer, 01.07.2019
Direkt nach der Veranstaltung schreiben professionelle Kulturjournalist*innen eine unabhängige Kritik zu jeder Veranstaltung des Theaterforums. Diese Kritik enthält dabei ausschließlich die Meinung der Autor*innen.