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Großer Gewinn für Gauting
Der aktuelle Themenschwerpunkt im Bosco widmet sich der Ukraine. Am Freitag konzertierte eine Familie, die in Gauting eine neue Heimat gefunden hat. Vater, Mutter und Tochter sind aus Charkiw geflohen, kurz bevor die ersten Bomben auf die Stadt fielen.
Gauting – Der Angriffskrieg auf die Ukraine hat Gautings reich gesegneter Profi-Musiker-Szene Zuwachs beschert. Kurz vor dem ersten Bomben-Angriff auf ihre Heimat-Stadt Charkiw an der Ostfront war die Familie Dotsenko geflohen – und in Gauting gelandet. Professor Volodymyr Dotsenko und seine Ehefrau Viktoriia Tkachenko hatten an der Nationalen Universität der Künste Charkiw Gitarre gelehrt und unterrichten auch weiterhin online. Ihre Tochter Olha setzt ihr Aufbau-Studium derzeit in der Hammerklavierklasse an der Münchner Musikhochschule fort. Nach ihrem ersten Konzert in der Gautinger Christuskirche waren die Dotsenkos nun am Freitagabend beim „Heimspiel“ im Bosco-Saal zu hören – passend zum aktuellen Schwerpunkt Ukraine mit der laufenden Foto-Ausstellung „Ukraine – Alltag im Krieg“ von Amnesty International.
Beim Konzert-Auftakt mit der Sonate des Bach-Sohns Carl-Philipp Emanuel war die Nervosität der jungen Pianistin noch hörbar. Doch nach der mit gebotener Leichtigkeit interpretierten Mozart-Sonate in G-Dur spielte sich Olha Dotsenko mit der romantischen Konzert-Etude „Un Sospiro“ von Franz Liszt in die Herzen ihrer etwa 200 Zuhörerinnen und Zuhörer. Nicht nur sie begeisterte das Publikum, sondern auch ihre Eltern. Das Gitarren-Duo Volodomyr Dotsenko und Viktoriia Tkachenko glänzte buchstäblich im „Sternenregen“ von Eugen Stefan – wie Meereswogen. Schon nach den technisch makellos gebotenen Läufen des Klavierspiels ihrer Tochter schallte bei diesem „Heimspiel“ das erste „Bravo“ durchs Bosco.
Tief bewegend spielte der Volodymyr Dotsenko „The Five Wounds of Christ“ (Die fünf Wunden Christi) auf seiner Gitarre: Das ergreifende, aufwühlende Solo von Angelo Geraldino hatte Volodymyr Dotsenko den Gefallenen in seinem Heimatland gewidmet. Mit der „Ukrainischen Fantasie“ von Ferenc Bernath boten Vater und Tochter im zweiten Teil einen musikalischen Dialog zwischen Gitarre und Klavier. Virtuos, mit astreinem Rhythmus spielte der Preis gekrönte Solist Volodymyr Dotsenko auf der klassischen Gitarre das Stück „Traumfänger“ von Isato Nakagawa: Das begeisterte Publikum dankte mit dem russischen Ruf „Molodez!“ (Prachtkerl).
Mit „Saudade“ (Sehnsucht), dem Bossa-Nova-Song „A Felicidade“ lief der Sologitarrist schließlich zu großer Form auf. Beim Tango „En Skai“ für Klavier und Gitarre bewegten sich schon die ersten jungen Zuhörerinnen im Rhythmus auf ihren Sitzen. Und mit dem berühmten „Aranjuez“-Konzert von Joaquin Rodrigo gipfelte das Heimspiel schließlich im musikalischen Höhepunkt: Dramatische Klavier-Akkorde wechselten mit tief berührenden Gitarrenklängen. Rodrigo hatte im Adagio seiner Komposition – eine Hommage an die Gärten des spanischen Herrscherhauses in Aranquez – seinen tiefen Schmerz und die Wut über die Totgeburt seines ersten Sohnes verarbeitet. Nach stürmischem Applaus und Bravo-Rufen für dieses „Heimspiel“ entließ Volodymyr Dotsenko die begeisterten Gautinger mit dem Gitarren-Solo „Blue Moon“ des Jazzmusikers Richard Rogers in die kalte Februarnacht.