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Veranstaltungsinfo

Di, 08.12.2015
20.00 Uhr
Schauspiel

28,00

Es gibt eine Warteliste

Bremer Shakespeare Company: Maria Stuart - nach Friedrich Schiller

Friedrich Schillers klassischer Konflikt um Macht und Gefühle. Schiller will beweisen, dass die meisten Menschen Vernunft nicht zugänglich sind, da sie „durch Empfindungen zum Handeln bestimmt“ sind. Deshalb müsse „der Weg zum Kopf […] durch das Herz geöffnet werden“.
Königin Elisabeth und Maria Stuart sind von ihrem Selbstverständnis her beide dazu prädestiniert, als Königin über England zu herrschen. Ihr Konflikt um die Herrschaft ist gleichzeitig ein Kampf zwischen katholischen und protestantischen Kräften, die um die Vorherrschaft auf der Insel ringen. Ihre Welt ist gleichzeitig eine Bühne und ein Gefängnis, denn die Blicke der Welt lassen keinen ihrer Schritte und Handlungen unbeobachtet. In der Welt der beiden Königinnen gibt es kein privates Leben, keine Trennung zwischen innen und außen. Doch das Beharren auf dem rechtmäßigen Anspruch auf die Rolle der Königin und der Einsatz von Manipulation und Zwang ist für beide die einzige Chance, gegen Feinde und falsche Freunde zu bestehen…

Regie
PETRA-JANINA SCHULTZ
mit ULRIKE KNOSPE // FRANZISKA MENCZ // MICHAEL MEYER // MARKUS SEUSS

Einführung: 19.15 Uhr

Petra Janina Schultz gibt mit Schillers „Maria Stuart” ihr Regiedebüt am Theater am Leibnizplatz
Niemand entkommt der Staatsräson

Ob es Zufall ist, dass derzeit zweimal „Maria Stuart“ auf Bremer Bühnen zu sehen ist? Und dass zudem beide Inszenierungen Regiedebüts sind – am Theater Bremen das von Anne Sophie Domenz, am Leibnizplatz das von Petra Janina Schultz? Wahrscheinlich. Eher kein Zufall dürfte es sein, dass die „Maria Stuart“ von Schultz, die am Donnerstag Premiere feierte, im Programmheft mit dem Terrorismus konnotiert wird – wie gerade erst die „Medea“ von Alexander Riemenschneider im Kleinen Haus.
Illegitime Gewalt als Mittel der Politik und der Clash der Glaubensbekenntnisse sind Schillers „Maria Stuart“ durchaus als zentrale Konflikte eingeschrieben. Im Programmheft verweist ein Textauszug von Ferdinand von Schirach auf die völkerrechtlich zweifelhafte Tötung Osama Bin Ladens durch US-amerikanische Soldaten am 2. Mai 2011. Auch Königin Elisabeth muss sich schließlich von der gefangenen Konkurrentin um den Thron vorwerfen lassen, sie völkerrechtswidrig festzuhalten. Allerdings lässt sich Schultz, die wir schon als Schauspielerin bei der Shakespeare Company kennen, nicht zu einer Zuspitzung auf diesen Aspekt verführen. Sie behält den Originaltext weitestgehend bei – eingeschoben sind lediglich zwei Passagen, in denen die Protagonistinnen selbst zu Wort kommen, aus dem Off eingespielte Auszüge historischer Zeugnisse.
Den Kampf der beiden Frauen lässt sie in einem reizvoll kargen Bühnenbild (Bühne und Kostüme: Hanna Zimmermann) spielen, die hier auf einer Ebene verortet sind, wenngleich natürlich strikt getrennt, die eine im goldenen Rahmen auf der rechten Seite, die andere an der gegenüberliegenden Wand auf kargem Klappsitz hockend. Die beteiligten Herren agieren weitgehend vor der Bühne, eine Ebene tiefer, wie es ihnen zusteht. Wobei sie immer wieder zu den Königinnen vorstoßen, ein jeder mit seinen eigenen politischen Interessen, mal in der Maske des ehrlichen Polit-Maklers, mal, wie Graf Leicester, als liebender Mann. Ein bisschen ist „Maria Stuart“ hier also auch eine Frauenfrage: Denn beide müssen sich stets auch damit auseinandersetzen, dass der männlich dominierte Adel sie für sich funktionalisieren will.
Gewissenhaft behandelt Schultz diese verschiedenen Ebenen des Stücks, der Text ist nur leicht zugunsten der beiden Kontrahentinnen gerafft, von den Männerfiguren bleiben lediglich vier, die sich Michael Meyer (sehenswert vor allem als eitler Leicester, aber auch als ehrpusseliger Paulet) und Markus Seuß (Mortimer und Burleigh) teilen.
Ulrike Knospe stolziert als Elisabeth auf turmhohen Plateausohlen und in türkisfarbenem Hosenkleid über die Bühne, zum Kostüm geronnene Staatsräson, der zu entkommen nur unter unwürdigen Verrenkungen möglich und deswegen eigentlich unmöglich ist. Nicht einmal einen gemütlichen Thron hat sie. Eine Sitzbank ermöglicht zwar einigermaßen kommodes Sitzen, aber so richtig ruhen lässt sich darauf nicht. Die Klüfte zwischen privaten und politischen Interessen, zwischen Moral und Pragmatismus lotet Ulrike Knospe eher kühl aus – als reichlich puritanischer Souverän ziemt es sich schließlich nicht, allzu emotional zu sein. Schwer haben es da individuelle, emotionale Impulse, ihren Weg durch die Maske des Offiziellen zu finden. Ganz anders natürlich Maria Stuart, dargestellt von Franziska Mencz, die Katholikin, die Rebellin, die Frau, die ihre Schönheit auch politisch zu nutzen weiß. Wobei leider nicht immer gut zu verstehen ist, wie sie ihre Ziele verfolgt. Vor allem in der Begegnung der beiden, beim Besuch Elisabeths in Stuarts Kerker schlägt das schauspielerisch durchaus Funken, die man andernorts vermissen darf, weshalb einem die rund zweieinhalb Stunden des Abends manchmal lang werden. Zu erwähnen wäre noch die Musik von Stefan Rapp, der im ersten Teil mit perkussiven Zwischenspiel das Geschehen taktet, im zweiten vor allem ein stetig wiederkehrendes Grollen unterlegt, das das scheinbar unvermeidliche böse Ende andeutet.
Für die Bremer Shakespeare Company ein durchaus ungewöhnlicher Abend, der ganz auf die sonst im Hause üblichen Witzeleien verzichtet. Im Vergleich mit der anderen Bremer „Maria Stuart“ der weit weniger unterhaltsame Abend, dafür aber einer, der das Drama weit ernster nimmt, seine Ideen aus dem Text gewinnt, anstatt sie diesem aufzupflanzen.

Andreas Schnell, 7. März 2015

Nach(t)kritik
Aus dem Rahmen gefallen
Nach(t)kritik von Sabine Zaplin
Wer handelt, wenn wir handeln? Und wer trägt die Schuld, wenn wir schuldig werden? Elisabeth, Königin von England, sieht das Recht auf ihrer Seite, als sie die aus ihrem Land verjagte und zu ihr geflohene Maria Stuart in den Kerker werfen lässt. Dass sie schließlich auch deren Todesurteil unterzeichnet und damit rechtskräftig sein lässt, ist das Ergebnis und Interesse vieler falscher Freunde und Intriganten, nicht zuletzt Graf Leicesters – der Name, der unter dem Todesurteil steht, ist Elisabeths allein. Allein ist sie am Ende, die Widersacherin hat das moralische Recht auf ihrer Seite, alle anderen sind fort, Leicester „zu Schiff nach Frankreich“, und der Rahmen für Elisabeth ist viel zu eng, doch er ist alles, was ihr bleibt.
Mit „Maria Stuart“ nach Friedrich Schiller erzählt die Bremer Shakespeare Company in der Regie von Petra Janina Schultz eine Geschichte von der Unfreiheit politischen Handelns und von der möglichen Freiheit des menschlichen Willens. In einer auf die wesentlichen Szenen und Motive reduzierten Fassung agieren die vier Schauspieler – in bester Shakespeare-Tradition – in einem „Theater auf dem Theater“. Offene Rollenwechsel vorm Proszenium, wo Kostüme und Perücken auf Kleiderpuppen parat stehen, erzeugen eine größtmögliche Erzähldichte bei gleichzeitig straffem Tempo und unterstreichen die von Schiller dramaturgisch legitimierte Begrenztheit der (männlichen) Handlungsfreiheit:  Michael Meyer ist sowohl ein wendiger, schmeichlerischer Leicester als auch ein scheinbar loyaler Paulet. Markus Seuß zeigt einen leidenschaftlichen Mortimer und einen bürokratischen Burleigh. Ulrike Knospes Elisabeth ist durch die extrem hohen Absätze ihrer Schuhe zu einer umständlichen Größe verpflichtet, die sie wie auf Kothurnen schreiten lässt. Und Franziska Mencz lässt ihre Maria Stuart zwischen Leidenschaft und Stolz den Machtkampf bis zum Äußersten austragen. Alle vier Schauspieler halten den Spannungsbogen bis zum „Show-down“ hochkonzentriert und mit fast zirzensischer Spiellust.
Das Bühnenbild (Hanna Zimmermann) ist auf das Äußerste reduziert, so dass die wenigen Requisiten größtmögliche Bedeutsamkeit besitzen und vermitteln. Ein großer Bilderrahmen wird zum sicheren Hafen für Elisabeth, die sich darin zurückzieht und gleichzeitig öffentlich ausgestellt ist. Später versucht Maria, ob sie in diesem Rahmen existieren kann, verlässt ihn aber wieder – ihr rotes, Leidenschaft symbolisierendes Kleid sprengt diesen Rahmen. Eine Leiter bietet am Ende im eng umfassten Raum einen Fluchtweg, doch offensichtlich ist die Welt auf der anderen Seite der hohen Wand nur die Fortsetzung des Gefängnisses: Leicester gelingt es nur, Marias Kleid hinüberzuwerfen, und im selben Moment erinnert das Geräusch der herunterklappenden Sitzbank drinnen an das Fallbeil, das Marias Leben beendet – die Welt draußen ist ein Schafott, weiter nichts.
Höhepunkt des Dramas und dieser minimalistischen Fassung ist die Begegnung zwischen Elisabeth und Maria. Im eng umzirkelten Licht prallen hier zwei Lebensmodelle aufeinander, zwei Temperamente ringen miteinander: Elisabeths strenge, leicht melancholische Rechtschaffenheit und Marias empfindsam-temperamentvolle, beinahe cholerische Leidenschaft. Selbst die körperliche Abwesenheit Marias lässt all dies spüren im noch daliegenden körperlosen roten Kleid. Gerade diese Abwesenheit vor dem engen goldenen Rahmen ist das wohl stärkste Bild für die Freiheit, von der Schiller wieder und wieder erzählt. „Die Kunst ist eine Tochter der Freiheit“, heißt es in seiner Schrift „Über die ästhetische Erziehung des Menschen“. Die Bremer Shakespeare Company hat überzeugende Theatermomente für diese These gefunden.
 
Galerie
Bilder der Veranstaltung
Di, 08.12.2015 | © Werner Gruban