Nach(t)kritik von Katja Sebald, 09.01.2015
Subtile Filmgemälde: Ausstellung von Christoph Brech
Manchem sind Videos in Ausstellungen und Museen beim Kunstgenuss ein Dorn im Auge, weil sie nicht in der üblichen durchschnittlichen Verweildauer pro Bild, die bei wenigen Sekunden liegt, zu bewältigen sind. Hans-Georg Krause outete sich bei der Vernissage von Christoph Brech als ein solcher „Video-Hasser“ – genauer gesagt als ehemaliger Video-Hasser, denn es waren frühere Arbeiten des Künstlers, die bei ihm „einen Schalter umgelegt“ und ihn regelrecht zum Fan von Videokunst gemacht haben.
Selten allerdings drängt sich so deutlich wie vor den Bildern und Videoarbeiten von Christoph Brech das Gefühl auf, dass die Vernissagenbesucher durch ihre Anwesenheit dem Kunstgenuss im Weg stehen – und das ist durchaus wörtlich zu verstehen. So erfreulich das große Interesse an dieser Ausstellungseröffnung war, so schwer war es doch, sich im Gedränge auf die großformatigen Fotografien und auf die suggestiven und subtilen Filme und ihren Sound einzulassen. Allen Arbeiten gemeinsam ist nämlich, dass sie Momente großer Stille in der Natur eingefangen haben.
Christoph Brech zeigt in der Bar Rosso die für die Ausstellung titelgebende Serie von Fotografien, die über einen längen Zeitraum in den „Giardini di Ninfa“, einer von einem Englischen Landschaftspark umgebenen Ruinenstadt südlich von Rom, entstanden. Die mittelalterliche Stadt wurde im ausgehenden 14. Jahrhundert verlassen und war lange Zeit dem Verfall preisgegeben. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde sie von der römischen Adelsfamilie Caetani bei der Anlage des Landschaftsgartens als „echte“ Staffage integriert. Die ungemein ästhetisierenden Aufnahmen zeigen den menschenleeren Park in unterschiedlichen Jahreszeiten und Lichtsituationen. Sie fokussieren sich auf das Spannungsfeld, das sich zwischen der üppigen, aber extrem gepflegten Natur und den von Pflanzen überwucherten steinernen Resten der Stadt, Torbögen, Türme, Brücken, bröckelnde Kirchenmauern mit Resten von Fresken, ergibt. In verschiedenen Epochen und mit unterschiedlicher Intention hat der Mensch hier Spuren hinterlassen, er tritt jedoch nicht direkt in Erscheinung. Und genau diese Abwesenheit macht ihn auf beinahe erschreckende Weise in diesen Bildern präsent.
Ebenfalls im ersten Stock ist auf einem Bildschirm das 2012 entstandene Video „Monsalvat“ zu sehen, ein gravitätisches Schwanenballett, das nachts bei minus 17° in Berlin von einer Brücke aus gefilmt wurde. Die Schwäne bewegen sich langsam im noch nicht zugefrorenen Bereich des Wassers, das im Film als tiefschwarzer Bühnenraum für diesen unwirklichen Tanz erscheint. Klänge aus Richard Wagners Lohengrin-Vorspiel mischen sich in den vor Ort aufgenommenen Straßenlärm.
Das Video „Sound of Raasay 180°“ aus dem Jahr 2014 feiert im Bosco seine „München-Premiere“: Es ist eine scheinbar in Zeitlupe gedehnte Filmaufnahme im Grau einer kargen und wolkenverhangenen Landschaft vor Schottland. Während die Kamera langsam eine Halbkreisdrehung vollzieht, schieben sich nacheinander hügelige Inseln ins Bild. Man denkt an riesenhafte schlafende Tiere, die dazu eingespielten düsteren Klänge verstärken diesen Eindruck noch.
Spätestens mit dem Video „Il Ponte“ aus dem Jahr 2011 verdeutlicht sich Brechs „malerische“ Arbeitsweise mit der Kamera: Der Film entstand in Florenz an der „Ponte alla Carraia“. Im dunstigen Abendlicht ist das Spiegelbild der Brücke im Arno zu sehen. Nur schemenhaft zeichnen sich Menschen und Fahrzeuge ab, die den Fluss überqueren. Aus Passanten werden so Grenzgänger zwischen den Welten, das meditativ stille Bild ist ein zunächst impressionistisches, beinahe pointillistisch anmutendes Lichtspiel. Dann klären sich die Strukturen, aus den Zufälligkeiten des Bildgefüges wird ein harmonisch komponiertes Gemälde.
Die dritte der im „Boschetto“ im Wechsel gezeigten Arbeiten ist das Video „La Sosta“ aus dem Jahr 2010, entstanden während eines Aufenthalts in Rom: Es zeigt riesige Schwärme von Staren, die sich am Himmel immer wieder neu formieren und im Verlauf dieses subtilen und leisen Filmgemäldes dem Kamerastandpunkt am Nistplatz – und damit auch dem Betrachter – immer näher kommen.