Veranstaltungsinfo
Gerd Holzheimer "Auf geht´s: Zu neuen Ufern!" (1): Der Herr Meyer aus der Kaiserstraß
"AUF GEHT´S: ZU NEUEN UFERN!" - NEUE LITERATURREIHE MIT GERD HOLZHEIMER
Politische Aufbrüche
Die Ausrufung des Freistaats Bayern und damit gleichzeitig der Räterepublik in München jährt sich zum hundertsten Mal, wieder einmal Anlass für ein Jubiläum. Diese literarische Reihe greift diese Geschichte auf und erweitert sie: um die Vorgeschichte, und dazu gehören auch siebenhundert Jahre Wittelsbacher, um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert, eine Zeit, in der in München ein wirklich großer Aufbruch stattfand, auf allen Ebenen menschlichen Lebens – eine Wendung der Dinge, wie sie sich in gewisser Weise 1968 wiederholen sollte. Natürlich gehört auch die Revolution von 1918 selbst zum Thema sowie ein Herr Meyer in München, der sich später Lenin nannte, und eine gewisse Rolle spielt.
Freilich wechseln sich in der Geschichte der Menschheit offenkundig immer wiederkehrend Epochen vernünftiger Planung, partnerschaftlicher Zusammenarbeit und phantasievoller Projekte mit solchen der Irrationalität, Isolierung und Engstirnigkeit ab. Goethe formuliert diesen ewigen Wechsel in einer seiner Maximen so: „Der Kampf des Alten, Bestehenden, Beharrenden mit Entwicklung, Aus- und Umbildung ist immer derselbe. Aus aller Ordnung entsteht zuletzt Pedanterie; um diese los zu werden, zerstört man jene, und es geht eine Zeit hin, bis man gewahr wird, dass man wieder Ordnung machen müsse. Klassizismus und Romantizismus, Innungszwang und Gewerbefreiheit, Festhalten und Zersplittern des Grundbodens: es ist immer derselbe Konflikt, der zuletzt wieder einen neuen erzeugt. Der größte Verstand des Regierenden wäre daher, diesen Kampf so zu mäßigen, dass er ohne Untergang der einen Seite sich ins Gleiche stellte; dies ist aber den Menschen nicht gegeben …“ – eine ziemlich pessimistische Prognose, es kommt aber noch dicker: „…und Gott scheint es auch nicht zu wollen.“ Damit hätten wir natürlich richtig Pech. Aber gehört es nicht auch zum Wesen des Menschen, dass er weltoffen ist, offen für die Welt? Und dass er, weil er das Leben liebt, auch mit anderen Lebewesen menschlich umgehen kann, selbst wenn es ihm keinen unmittelbaren Nutzen bringt. Davon soll die Rede sein. Es geht weniger um politische Botschaften, als vielmehr darum, in welcher Weise sich diese Veränderungen im Bewusstsein der Menschen literarisch niedergeschlagen haben.
1. Der Herr Meyer aus der Kaiserstraß: Lenin in München
Sommer 1900 in München, mitten im Herzens Schwabings: Ein junger Mann Anfang dreißig stellt sich als Herr Meyer vor und bezieht ein kleines Zimmer in der Kaiserstraße 46. Das erscheint auf den ersten Blick als nicht allzu Besonderes. Doch bei diesem Herrn, einem untergetauchten Russen, handelte es sich um einen besonderen Meyer. Hinter dem Allerweltsnamen steckt kein Geringerer als Vladimir Iljitsch Uljanow, uns allen besser bekannt als Lenin. Mit Pamphleten wie Was tun? legt er in seinen zwei Jahren in München erste schriftliche und politische Grundlagen für die russische Revolution. Auch die Zeitschrift Iskra wird in München gedruckt. Möglicherweise ist auf diese Weise in der Druckerei die Verbindung zu einem „Fräulein Schön“ entstanden, die später im sogenannten „Jagahäusl“ in Stockdorf gelebt hat. Zu ihren wenigen Habseligkeiten gehörte auch ein Sessel, auf dem Herr Meyer alias Lenin saß und sogar genächtigt hatte. Lenins Sessel wird während der ganzen Veranstaltung life anwesend sein. In seinen Schriften klingt Lenin nicht gerade als freudvoller Mensch, aber das lustvolle Münchner Leben hatte es ihm durchaus angetan. Er war ein gern gesehener Gast im Hofbräuhaus, liebte Bier und Mehlspeisen. Vielleicht hat er die Aufschrift „HB“ auf den Maßkrügen als Abkürzug von Народная воля gelesen, narodnaja wolja, auf gut deutsch: „Volkswille“. Das wird ihm zusätzlich gefallen haben. Thema dieses Abends: Nicht nur die zwei Jahre, in denen Lenin in München war, sondern vor allem der Geist der Zeit in München und eben auch um Lenins Geist. Und damit um Fragen: Welche Modelle werden diskutiert? Räte versus Partei als Diktatur des Proletariats, gleichbedeutend mit der Alleinherrschaft einer kommunistischen Partei, mit der Ausschaltung aller anderen Kräfte und damit auch des Anarchismus, wörtlich der „Herrschaftsfreiheit“, Gewaltfreiheit, Pazifismus.
Konzeption & Moderation
GERD HOLZHEIMER
Sprecherin
CLARA HOLZHEIMER
Musik
"Das Lustprinzip"
mit ROSE BIHLER SHAH, Gesang
BIRGIT OTTER, Tasten
Politische Aufbrüche
Die Ausrufung des Freistaats Bayern und damit gleichzeitig der Räterepublik in München jährt sich zum hundertsten Mal, wieder einmal Anlass für ein Jubiläum. Diese literarische Reihe greift diese Geschichte auf und erweitert sie: um die Vorgeschichte, und dazu gehören auch siebenhundert Jahre Wittelsbacher, um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert, eine Zeit, in der in München ein wirklich großer Aufbruch stattfand, auf allen Ebenen menschlichen Lebens – eine Wendung der Dinge, wie sie sich in gewisser Weise 1968 wiederholen sollte. Natürlich gehört auch die Revolution von 1918 selbst zum Thema sowie ein Herr Meyer in München, der sich später Lenin nannte, und eine gewisse Rolle spielt.
Freilich wechseln sich in der Geschichte der Menschheit offenkundig immer wiederkehrend Epochen vernünftiger Planung, partnerschaftlicher Zusammenarbeit und phantasievoller Projekte mit solchen der Irrationalität, Isolierung und Engstirnigkeit ab. Goethe formuliert diesen ewigen Wechsel in einer seiner Maximen so: „Der Kampf des Alten, Bestehenden, Beharrenden mit Entwicklung, Aus- und Umbildung ist immer derselbe. Aus aller Ordnung entsteht zuletzt Pedanterie; um diese los zu werden, zerstört man jene, und es geht eine Zeit hin, bis man gewahr wird, dass man wieder Ordnung machen müsse. Klassizismus und Romantizismus, Innungszwang und Gewerbefreiheit, Festhalten und Zersplittern des Grundbodens: es ist immer derselbe Konflikt, der zuletzt wieder einen neuen erzeugt. Der größte Verstand des Regierenden wäre daher, diesen Kampf so zu mäßigen, dass er ohne Untergang der einen Seite sich ins Gleiche stellte; dies ist aber den Menschen nicht gegeben …“ – eine ziemlich pessimistische Prognose, es kommt aber noch dicker: „…und Gott scheint es auch nicht zu wollen.“ Damit hätten wir natürlich richtig Pech. Aber gehört es nicht auch zum Wesen des Menschen, dass er weltoffen ist, offen für die Welt? Und dass er, weil er das Leben liebt, auch mit anderen Lebewesen menschlich umgehen kann, selbst wenn es ihm keinen unmittelbaren Nutzen bringt. Davon soll die Rede sein. Es geht weniger um politische Botschaften, als vielmehr darum, in welcher Weise sich diese Veränderungen im Bewusstsein der Menschen literarisch niedergeschlagen haben.
1. Der Herr Meyer aus der Kaiserstraß: Lenin in München
Sommer 1900 in München, mitten im Herzens Schwabings: Ein junger Mann Anfang dreißig stellt sich als Herr Meyer vor und bezieht ein kleines Zimmer in der Kaiserstraße 46. Das erscheint auf den ersten Blick als nicht allzu Besonderes. Doch bei diesem Herrn, einem untergetauchten Russen, handelte es sich um einen besonderen Meyer. Hinter dem Allerweltsnamen steckt kein Geringerer als Vladimir Iljitsch Uljanow, uns allen besser bekannt als Lenin. Mit Pamphleten wie Was tun? legt er in seinen zwei Jahren in München erste schriftliche und politische Grundlagen für die russische Revolution. Auch die Zeitschrift Iskra wird in München gedruckt. Möglicherweise ist auf diese Weise in der Druckerei die Verbindung zu einem „Fräulein Schön“ entstanden, die später im sogenannten „Jagahäusl“ in Stockdorf gelebt hat. Zu ihren wenigen Habseligkeiten gehörte auch ein Sessel, auf dem Herr Meyer alias Lenin saß und sogar genächtigt hatte. Lenins Sessel wird während der ganzen Veranstaltung life anwesend sein. In seinen Schriften klingt Lenin nicht gerade als freudvoller Mensch, aber das lustvolle Münchner Leben hatte es ihm durchaus angetan. Er war ein gern gesehener Gast im Hofbräuhaus, liebte Bier und Mehlspeisen. Vielleicht hat er die Aufschrift „HB“ auf den Maßkrügen als Abkürzug von Народная воля gelesen, narodnaja wolja, auf gut deutsch: „Volkswille“. Das wird ihm zusätzlich gefallen haben. Thema dieses Abends: Nicht nur die zwei Jahre, in denen Lenin in München war, sondern vor allem der Geist der Zeit in München und eben auch um Lenins Geist. Und damit um Fragen: Welche Modelle werden diskutiert? Räte versus Partei als Diktatur des Proletariats, gleichbedeutend mit der Alleinherrschaft einer kommunistischen Partei, mit der Ausschaltung aller anderen Kräfte und damit auch des Anarchismus, wörtlich der „Herrschaftsfreiheit“, Gewaltfreiheit, Pazifismus.
Konzeption & Moderation
GERD HOLZHEIMER
Sprecherin
CLARA HOLZHEIMER
Musik
"Das Lustprinzip"
mit ROSE BIHLER SHAH, Gesang
BIRGIT OTTER, Tasten