Veranstaltungsinfo
Gerd Holzheimer: Nur der Not keinen Schwung lassen (Teil 1)
"Nur der Not keinen Schwung lassen", war ein gern gesagter und oft gehörter Spruch in den fünfziger Jahren – von einer Generation also, die Gewaltherrschaft, Krieg und Zerstörung erlebt hatte und sich nun daran machte, aus den Trümmern wieder etwas aufzubauen. Ganz verloren hat sich diese Weisheit nie, auch nicht in Zeiten eines, wie es schien, gesicherten Wohlstands. Im Spiegel der Literatur lassen sich im Lauf der Weltgeschichte vieler solcher Situationen nachlesen, in welchen die Menschen gut daran taten, nicht den Mut zu verlieren. Diesen wollen wir unsere Stimme geben und unser Ohr schenken.
Teil 1: Apfelbäume pflanzen
Wenn es Luther auch nur zugeschrieben wird, so bleibt doch unverrückbar dieser Satz in unser aller Gedächtnis: "Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt unterginge, würde ich noch heute ein Apfelbäumchen pflanzen!" Wer das von sich sagen kann, muss Gott vertrauen können und an eine Zukunft glauben – trotz allem. Der katholische Pfarrer Korbinian Aigner hat so gehandelt, als es ihm im KZ Dachau gelungen ist, nicht nur vier neue Apfelsorten zu züchten, sondern diese auch aus dem Lager zu schmuggeln. Von den vier Sorten hat er nach der Befreiung eine gelten lassen: den heute nach ihm benannten "Korbiniansapfel".
Metaphorisch gesprochen kann man auch in der Literatur diesem Setzen von Apfelbäumen als symbolischen Hoffnungsträgern nachspüren. "Ich leb und waiß nit wie lang, / ich stirb und waiß nit wann, / ich far und waiß nit wahin, /mich wundert das ich [so] frölich bin", lange hat man den Magister Martinus von Biberach für den Verfasser dieses Vierzeilers gehalten (1498). Unerheblich, ob zu Recht oder nicht: der Inhalt gilt. Nicht unähnlich äußert sich Bert Brecht poetisch so: "Ich sitze am Straßenhang. / Der Fahrer wechselt das Rad. / Ich bin nicht gern, wo ich herkomme. / Ich bin nicht gern, wo ich hinfahre. / Warum sehe ich den Radwechsel / mit Ungeduld?"
Grimmelshausen Simplicius Simplicissimus, der den Wahnsinn eines Dreißigjährigen Krieges mit gleichzeitiger Pandemie beschreibt, steht unter dem Motto: "Mir wollt es so behagen, mit Lachen die Wahrheit zu sagen." Nach dem Ende des von Hitler entfesselten Zweiten Weltkriegs frage man sich unter Autorinnen und Autoren, wie es weitergehen solle? Gibt es so etwas wie eine "Stunde Null"? Oder muss man von "Kahlschlag" sprechen? Gar von "Trümmerliteratur"?
Im Osten halten Autorinnen wie etwa Christa Wolf, Sarah Kirsch und Helga Schütz das poetische Fähnlein der Hoffnung hoch. Im Westen sind es u.a. die dichterischen Texte von Ingeborg Bachmann, die vom Wesen der Kunst so schreibt: "Und das sollte die Kunst zuwegebringen: daß uns in diesem Sinn die Augen aufgehen."
Konzeption & Moderation
GERD HOLZHEIMER
Sprecherin
JUDITH HUBER
GERD HOLZHEIMER ist Autor, Herausgeber und literarischer Tausendsassa. Seit 2011 pflückt er in seiner Reihe im bosco immer wieder unterschiedlichste Früchte der Literatur von seinem Baum der Erkenntnis. Dieses Mal zum Thema Hoffnung. In dieser dreiteiligen Reihe wird Gerd Holzheimer von jeweils einem/einer Vorleser*in begleitet.
JUDITH HUBER, geboren in Burghausen, absolvierte eine Musicalausbildung an der Stage School Hamburg und studierte anschließend an der Schule für Schauspiel Hamburg. Nach einem festen Engagement in Nürnberg gastierte sie u.a. in Zürich, Berlin, München, Hamburg und Düsseldorf. Seither ist sie freischaffend als Schauspielerin, Performerin und Autorin tätig. 1998 rief sie mit der Musikerin Marianne Kirch und der Schauspielerin Eva Löbau das Künstlerinnen-Kollektiv "Die Bairishe Geisha" ins Leben. Gemeinsam entwickelte das Ensemble über 20 Produktionen, mit denen es deutschlandweit gastierte. Neben eignen Projekten steht gleichberechtigt die Arbeit als Sprecherin, auf der Bühne oder vor der Kamera.
Termine
Mi 27.09.2023 Teil 1: Apfelbäume pflanzen
Mi 22.11.2023 Teil 2: Weil!
Mi 28.02.2024 Teil 3: Jetzt