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Veranstaltungsinfo

Mi, 22.11.2023
20.00 Uhr
Literatur

15,00 / 8,00

Regulär / bis 25 Jahre

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Veranstalter: Theaterforum Gauting e.V.

Gerd Holzheimer: Nur der Not keinen Schwung lassen (Teil 2)

Nur der Not keinen Schwung lassen: Weil! Teil 2 der Literaturreihe mit Gerd Holzheimer.

"Nur der Not keinen Schwung lassen", war ein gern gesagter und oft gehörter Spruch in den fünfziger Jahren – von einer Generation also, die Gewaltherrschaft, Krieg und Zerstörung erlebt hatte und sich nun daran machte, aus den Trümmern wieder etwas aufzubauen. Ganz verloren hat sich diese Weisheit nie, auch nicht in Zeiten eines, wie es schien, gesicherten Wohlstands. Im Spiegel der Literatur lassen sich im Lauf der Weltgeschichte vieler solcher Situationen nachlesen, in welchen die Menschen gut daran taten, nicht den Mut zu verlieren. Diesen wollen wir unsere Stimme geben und unser Ohr schenken.


Teil 2: Weil!

"Weil!", sagen Kinder gern, wenn man eine Erklärung für etwas haben möchte, was aus Sicht eines Erwachsenen, gelinde gesagt, eher suboptimal gelaufen ist. Einfach "weil", ohne Begründung – vielleicht weil es auch gar keine Begründung gibt. Oder keiner Begründung bedarf. "sunder warumbe" – "ohne warum", wie Meister Eckhart sagt, wenn die große Frage gestellt wird, wie man sich denn Gott vorzustellen habe? Vom Kindermund und dem Wort des großen Mystikers des Mittelalters ausgehend wird die Frage gestellt, ob nicht immer alles erklärt werden kann auf dieser Welt, was nicht bedeutet, dass man es resignierend hinnehmen muss, im Gegenteil. Es kommt darauf an, wie man damit umgeht. Dafür gibt es reichliche und wunderbare Beispiele in der Literatur. Hier nur einige Beispiele.

In Kleists Anekdote aus dem letzten preußischen Kriege verlangt ein letzter versprengter Reiter vom Wirt im Dorf einen Branntwein nach dem anderen und Feuer für seine Pfeife, obgleich das Dorf schon von lauter Franzosen umstellt ist und ihm Unheil droht. Und in Guareschis Don Camillo und Pepone prallen unaufhörlich katholische Kirche und Kommunistische Partei aufeinander, wohl wissend, dass sie einander letztlich brauchen, um den Faschismus in Italien zu überwinden. Nur  der Not keinen Schwung lassen!

Gerade weil die Dinge so sind, wie sie sind, schaut ihnen Gabriele Tergit auf den Grund. Als widerständige, manchmal auch bissige Autorin konnte sie sich gerade noch vor den Nazis in verschiedene Exil-Orte retten – um den Preis verbunden, dass sie erst Ende des letzten Jahrzehntes "wiederentdeckt" worden ist. Das Nachkriegsdeutschland erscheint im Spiegel bitterer Ironie. Das Werk der ebenfalls aus jüdischer Familie stammenden Dichterin Mascha Kaleko wird im Lauf ihres Lebens angesichts all der Bedrohungen zunehmend von Düsterkeit überschattet, ohne an poetischer Verdichtung einzubüßen: "Wir haben keine andere Zeit als diese."
 

Konzeption & Moderation
GERD HOLZHEIMER
Sprecherin
ANNA VEIT

 GERD HOLZHEIMER ist Autor, Herausgeber und literarischer Tausendsassa. Seit 2011 pflückt er in seiner Reihe im bosco immer wieder unterschiedlichste Früchte der Literatur von seinem Baum der Erkenntnis. Dieses Mal zum Thema Hoffnung. In dieser dreiteiligen Reihe wird Gerd Holzheimer von jeweils einem/einer Vorleser*in begleitet.

ANNA VEIT stammt aus Niederbayern und studierte an der Musikhochschule München und am Konservatorium Wien. Sie wurde u.a. mit dem 1. Preis des deutschen Bundesgesangswettbewerbs in der Kategorie Chanson ausgezeichnet. Engagiert wurde Anna Veit u.a. von der Volksoper Wien, dem Theater Trier und den Bad Hersfelder Festspielen. Sie kreierte eigene Chanson-Programme und ist am Kontrabass sowie als Sängerin an verschiedenen Projekten beteiligt, so beispielweise in Sondheims NewYorker Inszenierung von "Sweeney Todd" als Lucy und als Teil der Band "Mrs. Zwirbl". Neben der Bühne widmet Anna Veit sich dem Projekt "Zukunftsmusiker" in pädagogischer Mission, arbeitet u.a. für Chöre des Bayerischen Sängerbundes und gründete 2019 zusammen mit Sängerin und Pädagogin Amélie Erhard das SingSpielKombinat LieNa.
 

Termine
Mi 27.09.2023 Teil 1: Apfelbäume pflanzen
Mi 22.11.2023 Teil 2: Weil!
Mi 28.02.2024 Teil 3: Jetzt

Nach(t)kritik
Die Lebensfreude wird nicht rationiert!
Nach(t)kritik von Amos Ostermeier

Um zu spüren, dass die Zeiten momentan voller Sorgen sind, dafür genügt ein Blick in die Zeitung. Auch wenn es zu jeder Zeit gewaltvolle Konflikte und komplizierte Auseinandersetzungen gab und gibt, so scheint das Konfliktpotential in den letzten Monaten doch wieder Konjunktur zu haben. „Die Not hat im Augenblick doch einen Schwung“ stellt Gerd Holzheimer direkt zu Beginn des zweiten Teils seiner dreiteiligen Reihe zum Thema Hoffnung fest. Der Titel des Abends, ein häufig gehörter Spruch der 50er-Jahre, also der Zeit des Wiederaufbaus im Echo der Kriege und im Schatten der Trümmer, ist allerdings ein hoffnungsvoll gestimmter: „Nur der Not keinen Schwung lassen“. Und fast noch kämpferischer, ja weil auch trotziger dem Leid gegenübertretend, der Titel dieses zweiten Teils der Reihe: „Weil!“

Wieder einmal stellt Gerd Holzheimer gekonnt ein Programm quer durch die Literaturgeschichte zusammen und findet treffende Beispiele für textliche Hoffnungsschimmer innerhalb dunkler historischer Kontexte, Passagen aus verschiedensten Werken, die die Leichtigkeit feiern und sich den schönen Rätseln des Lebens widmen - dabei durchaus auch die Leiden und Schrecken ihrer Umwelt und Zeit anerkennend, aber sich nie diesen resigniert hingebend. Einer dieser Autor*innen ist der damals noch junge Kurt Tucholsky, der in seinem „Rheinsberg“ von einer von Beginn an auf sehr kurze Zeit ausgelegten Liebe erzählt, und besonders von der darin enthaltenen Unbedarftheit und Freiheit berichtet. Doch der von Gerd Holzheimer als „zutiefst anrührend“ beschriebene Text erzählt eben auch von einer unendlich großen Sehnsucht nach Erfüllung und Liebe, die nie ganz befriedigt werden kann. Diese Ambivalenz gilt es zu begreifen; es ist nicht das Ignorieren der Grausamkeiten um die Autor*innen herum, sondern die Anerkennung all der verschiedenen Schrecken und dennoch oder gerade deswegen der offene und wachsame Blick gerichtet auf die schönen und geheimnisvollen Dinge ihres Lebens, der die Texte das Abends ausmacht.

So beispielsweise auch in Lena Christs „Erinnerungen einer Überflüssigen“; allein der Titel des Werkes ist so traurig, und doch beschreibt die Autorin glückliche Stunden, die sie in Zeiten des Leides mit ihren Großeltern verbrachte und die in der Erinnerung fast eine märchenhafte Ausgestaltung erfahren und von Liebe berichten, die so universell ist, dass das Publikum sich oft in den Erzählungen von Kinderspielen und dem Verhalten der Großeltern wiederfindet und lacht. Generell gibt es auch viel komisches zu hören an diesem Abend, gerade in harten und vom Krieg gezeichneten Zeiten lässt einen Humor die Erfahrungen verarbeiten, reflektieren und verstehen, so beweisen es auf jeden Fall Giovannino Guareschis Don Camillo und Peppone, die sich im Angesicht des Aufbruchs nach dem Zweiten Weltkrieg in Italien als politische Rivalen doch ähnlicher sind, als sie es selber gerne wahr hätten. Zwei kurze Auszüge aus ihren gemeinsamen, ja man könnte fast schon sagen Abenteuern, brechen die in den anderen Texten oft trotz aller Heiterkeit mitschwingende Melancholie auf und stiften herzhaftes Gelächter bei den Zuhörenden.

Dafür sorgt nicht zuletzt auch die Sprecherin Anna Veit, die mit ihrer beeindruckenden Stimmvielfalt die Geschichten erzählerisch ausgestaltet und mal einfühlsam, mal mitreißend vorträgt, was eine wahre Freude ist. Dabei wechselt sie je nach vorgetragenem Text vom Hochdeutsch ins Bayerische; besonderer Höhepunkt ist eine urbayerische Fassung der Geschichte vom „Brandner Kaspar“, der man sich durch Anna Veits ehrliche Interpretation nicht entziehen kann und die das Motiv von Humor im Angesicht des Krieges und des Todes auf die Spitze treibt.

Es muss nicht immer alles bis in den Kern verstanden und hingenommen werden, was einem an Not begegnet. Aber dieser keinen Aufschwung zu geben, indem man sagt „Weil!“, nicht die Hoffnung aufzugeben, so beweisen es die vorgetragenen Textpassagen, das lässt einen den Mut nicht verlieren, auch nicht in Zeiten, in denen die Not leider wieder einen Schwung bekommt.

 

Galerie
Bilder der Veranstaltung
Mi, 22.11.2023 | © Werner Gruban - Theaterforum Gauting e.V.