Veranstaltungsinfo
Holzheimer-Reihe "Ich und die Welt" (1): Ganz so, wie ich bin
"ICH UND DIE WELT" - NEUE LITERATURREIHE MIT GERD HOLZHEIMER
Die Lesbarkeit von Ich und der Welt
Nach wie vor ist in den Büchern ein Schatz der Menschheit aufgehoben, der Tag für Tag darauf wartet, gehoben zu werden. Dabei geht es nicht um eine wie immer geartete Bildung, schon gar nicht im formalen Sinne – es geht um uns, um unser Herz, um unsere Sinne, um unseren Verstand, und wie wir in dieser Welt stehen, und zu ihr. Ungebrochen ist die Literatur eine mögliche Instanz, im Spiegel anderer Lebensgeschichten, über unseren eigenen Lebenslauf nachzudenken, und im Buch nach Orientierung für eigene grundlegende Möglichkeiten zu suchen. Von der Lesbarkeit der Welt kommen wir zu unserer eigenen Person und wir von uns persönlich zur Welt.
„Person“, „Maske“, „Rolle“ sind alles Begriffe aus der Theatersprache, ohne die wir nicht auskommen in unserem Alltag. Jeder von uns übernimmt eine Rolle, zwangsläufig, es geht gar nicht anders; wir müssen sogar mehrere Rollen ausfüllen, auf privater, auf beruflicher, auf öffentlicher Ebene. Jeder von uns inszeniert sich, der eine mehr der andere weniger. Was aber ist, wenn man glücklich in die eigene Person hinein - gewachsen ist? Was ist dann? Dann muss man darüber hinauswachsen, über sich selbst hinaus, in ein Drittes, anderes.
Besucher dieser Abende brauchen die jeweilige Lektüre überhaupt nicht zu kennen. Worum es geht, wird kurz erörtert, einzelne Textpassagen werden vorgelesen. Unterhaltsames und Vergnügliches gehört selbstverständlich dazu. Wer nicht lachen kann, nimmt das Leben nicht ernst.
1. Ganz so, wie ich bin: J.W. v. Goethe und C.G. Jung
Jeder kennt die Geschichte vom „verlorenen Sohn“, der von seinem Elternhaus aus aufbricht, um seine eigenen Vorstellungen zu verwirklichen. Das Ende ist glücklich, denn von beiden Seiten her erscheint die Rückkehr möglich und wünschenswert. In der Literatur folgt der sogenannte „Bildungsroman“ diesem Schema. Auf den ersten Anschein mag dieser Begriff recht wuchtig und in seinem Bildungsanspruch vielleicht sogar bedrohlich wirken, doch meint er in der Goethezeit etwas sehr Einfaches, freilich zugleich Umfassendes. Unter „Bildung“ verstand man den Versuch einer ganzheitlichen Harmonisierung von Körper, Geist und Seele. Die Strukur dieser Romangattung sieht ein zumeist jugendliches Ich, das mit seinen Idealen in eine Welt der Realität hinausgeht, die zwar ganz und gar nicht ideal ist, aber zumindest soweit offen für Visionen bleibt, dass das Individuum zwar zuletzt realistischer geworden ist, aber durchaus nicht zu resignieren braucht. Es geht dabei um den von Hegel formulierten Gegensatz „zwischen der Poesie des Herzens und der entgegenstehenden Prosa der Verhältnisse“.
In Goethes „Wilhelm Meister“ formuliert der junge Held seinen Anspruch so: „Daß ich Dir’s mit einem Worte sage: mich selbst, ganz wie ich da bin, auszubilden, das war Dunkel von Jugend auf mein Wunsch und meine Absicht.“ angestrebt ist jene ganzheitliche Erfüllung der eigenen Person, wie sie später auch in der Psychoanalyse, etwa durch C.G. Jung formuliert wird.
Der Literaturwissenschaftler Gerhard Neumann bringt das Programm auf einen Nenner: „Der Gang durch die Welt als Gang zu sich selbst: das reflektierende, handelnde, beobachtende oder träumende Ich als Reisender, Spaziergänger, als Wanderer, als Flaneur und als Exilierter – es sind historisch begründbare Formen der Selbsterfahrung, die Selbst-Sein als Selbst-Werden zu bestimmen suchen, als Bewegung des Körpers durch die Landschaft, als Bewegung der Phantasie im Weltraum der Seele.“
Konzeption & Moderation
GERD HOLZHEIMER
Sprecher
HANS JÜRGEN STOCKERL
Die Lesbarkeit von Ich und der Welt
Nach wie vor ist in den Büchern ein Schatz der Menschheit aufgehoben, der Tag für Tag darauf wartet, gehoben zu werden. Dabei geht es nicht um eine wie immer geartete Bildung, schon gar nicht im formalen Sinne – es geht um uns, um unser Herz, um unsere Sinne, um unseren Verstand, und wie wir in dieser Welt stehen, und zu ihr. Ungebrochen ist die Literatur eine mögliche Instanz, im Spiegel anderer Lebensgeschichten, über unseren eigenen Lebenslauf nachzudenken, und im Buch nach Orientierung für eigene grundlegende Möglichkeiten zu suchen. Von der Lesbarkeit der Welt kommen wir zu unserer eigenen Person und wir von uns persönlich zur Welt.
„Person“, „Maske“, „Rolle“ sind alles Begriffe aus der Theatersprache, ohne die wir nicht auskommen in unserem Alltag. Jeder von uns übernimmt eine Rolle, zwangsläufig, es geht gar nicht anders; wir müssen sogar mehrere Rollen ausfüllen, auf privater, auf beruflicher, auf öffentlicher Ebene. Jeder von uns inszeniert sich, der eine mehr der andere weniger. Was aber ist, wenn man glücklich in die eigene Person hinein - gewachsen ist? Was ist dann? Dann muss man darüber hinauswachsen, über sich selbst hinaus, in ein Drittes, anderes.
Besucher dieser Abende brauchen die jeweilige Lektüre überhaupt nicht zu kennen. Worum es geht, wird kurz erörtert, einzelne Textpassagen werden vorgelesen. Unterhaltsames und Vergnügliches gehört selbstverständlich dazu. Wer nicht lachen kann, nimmt das Leben nicht ernst.
1. Ganz so, wie ich bin: J.W. v. Goethe und C.G. Jung
Jeder kennt die Geschichte vom „verlorenen Sohn“, der von seinem Elternhaus aus aufbricht, um seine eigenen Vorstellungen zu verwirklichen. Das Ende ist glücklich, denn von beiden Seiten her erscheint die Rückkehr möglich und wünschenswert. In der Literatur folgt der sogenannte „Bildungsroman“ diesem Schema. Auf den ersten Anschein mag dieser Begriff recht wuchtig und in seinem Bildungsanspruch vielleicht sogar bedrohlich wirken, doch meint er in der Goethezeit etwas sehr Einfaches, freilich zugleich Umfassendes. Unter „Bildung“ verstand man den Versuch einer ganzheitlichen Harmonisierung von Körper, Geist und Seele. Die Strukur dieser Romangattung sieht ein zumeist jugendliches Ich, das mit seinen Idealen in eine Welt der Realität hinausgeht, die zwar ganz und gar nicht ideal ist, aber zumindest soweit offen für Visionen bleibt, dass das Individuum zwar zuletzt realistischer geworden ist, aber durchaus nicht zu resignieren braucht. Es geht dabei um den von Hegel formulierten Gegensatz „zwischen der Poesie des Herzens und der entgegenstehenden Prosa der Verhältnisse“.
In Goethes „Wilhelm Meister“ formuliert der junge Held seinen Anspruch so: „Daß ich Dir’s mit einem Worte sage: mich selbst, ganz wie ich da bin, auszubilden, das war Dunkel von Jugend auf mein Wunsch und meine Absicht.“ angestrebt ist jene ganzheitliche Erfüllung der eigenen Person, wie sie später auch in der Psychoanalyse, etwa durch C.G. Jung formuliert wird.
Der Literaturwissenschaftler Gerhard Neumann bringt das Programm auf einen Nenner: „Der Gang durch die Welt als Gang zu sich selbst: das reflektierende, handelnde, beobachtende oder träumende Ich als Reisender, Spaziergänger, als Wanderer, als Flaneur und als Exilierter – es sind historisch begründbare Formen der Selbsterfahrung, die Selbst-Sein als Selbst-Werden zu bestimmen suchen, als Bewegung des Körpers durch die Landschaft, als Bewegung der Phantasie im Weltraum der Seele.“
Konzeption & Moderation
GERD HOLZHEIMER
Sprecher
HANS JÜRGEN STOCKERL