Im Rahmen des Klassikforums sind Heimspiele seltene Ausnahmen. Dass dabei auch noch Brüder zu hören waren, dürfte in absehbarer Zeit keine Wiederholung finden. Was Johannes Moser (Violoncello) und sein zwei Jahre jüngerer Bruder Benjamin (Klavier) wagen, gehört auch grundsätzlich zu den heiklen Unternehmen. Heikel insofern, da einerseits nur in den seltensten Fällen Geschwister (Zwillinge ausgenommen) im Charakter so übereinstimmen, dass auch musikalisch Einigkeit möglich ist. Und dann kommt andererseits noch die aus Kinderjahren verfestigte Rollenverteilung hinzu. Ausnahmen bestätigen die Regel.
Die einst Kraillinger Moser-Brüder sind natürlich professionell genug, ergebnisorientiert zu agieren und eine überzeugende Homogenität auszubalancieren. Dass die beiden herausragenden Musiker völlig unterschiedliche Typen sind, blieb dennoch unverhüllt, zumal alleine der statische Flügel und das bewegliche sowie körperorientierte Violoncello schon die ersten Anhaltspunkte lieferten. Musiker wählen eben nicht zufällig ihre Instrumente.
Johannes Moser ist der extrovertierte, der damit auch von der Bühnenpräsenz her dominierte und die Musik sichtbar nach außen trug. Und er fand im rein russisch-sowjetischen Programm eine Menge Stoff dafür, den Emotionen viel Raum zu gewähren. Die melancholisch-elegischen Gesänge, sowohl bei Rachmaninow wie auch beim Prokofjew – sofern traditionsorientiert –, offenbarten trotz ihrer unterschiedlichen Auffassung vor allem in Hinsicht auf die Harmonik hier so einige überraschende Parallelen. In erster Linie im Aufbau der Werke und Sätze, in der Entwicklung der melodischen Linien, aber auch im Charakter, obgleich Rachmaninow vom Gemüt her schon wesentlich düsterer daherkommt, als der zum Grotesken, ja Skurrilen neigende Prokofjew.
Die Verbindung zwischen den Entwicklungen im Prokofjews Cinderella-Adagio op. 97bis und denen in Rachmaninows Sonate g-Moll op. 19 verwiesen deutlich auf gemeinsame Wurzeln. Das Wesen des Russischen? Die Schule des Sankt Petersburger Konservatoriums? Jedenfalls servierte das Moser-Duo hier einen epischen Ansatz, der sich in den Steigerungen und Höhepunkten zu gewaltigen Hymnen aufbäumte. Und betrachtet man das alles andere als heitere Allegro scherzando bei Rachmaninow, so erscheint es als eine verdüsterte Variante des Moderato aus der C-Dur-Sonate op. 119 Prokofjews im Stil von „Peter und der Wolf“. Hier im Grotesken fand das Brüderduo auf Basis des Humorigen doch zu einer gänzlichen musikalischen Einhelligkeit, die dem Publikum ein großes Vergnügen bereitete.
Auch die Nebeneinanderstellung dieser Sonate und der Vocalise von Rachmaninow war ebenso wenig Zufall. Die so intime Innigkeit des berührenden Gesangs ohne Worte findet sich auch in der Prokofjew-Sonate. Oft dort, wo man sie am wenigsten erwartet. Ihre Aufgabe legten die beiden Mosers überzeugend dar. Die weiten Rücknahmen ins zarte Pianissimo, in denen der weltweit renommierte Cellist seine Klasse am deutlichsten verriet, verheißen bei den Russen eine baldige Eruption, die dadurch immer ungemein effektvoll inszeniert erklang.Benjamin Moser konnte seine Stärken meist dort ausspielen, wenn es um das feinsinnige Changieren in den harmloseren Momenten ging. Da, wo keine großen Emotionen zur Verfügung standen und ein suchendes Sinnieren, Ergründen und Abwägen Thema sind. In diesen versponnen Momenten wuchs auch die Spannung auf das Kommende schon sehr deutlich. Überaus wirkungsvoll. Skrjabins Romanze und Saint-Saëns‘ Schwan beruhigten nach lang anhaltendem frenetischen Applaus die Gemüter.