Der aus der Fernsehsendung „Die Anstalt“ bekannte Kabarettist Max Uthoff betritt an diesem Abend die Bühne des Theaterforums in Gauting ganz in schwarz gekleidet und verkündet eine vierstellige Zahl, die Zahl an Tagen, die ihm nach der durchschnittlichen Lebenserwartung noch bleibt bis zum eigenen Tod. Den Sinn des Lebens wolle man ja, wenn überhaupt, nicht erst am Ende des Lebens erfahren, und so wird der Faktor Zeit doch eine wesentliche Grundlage zur Beurteilung, welchen Dingen man diese Zeit überhaupt noch widmen möchte und noch viel wichtiger, welchen eben gerade nicht. Ein ganzes Interview mit Christian Lindner lesen beispielsweise - na wer habe denn die Zeit dafür?
Max Uthoff berichtet von seiner Midlifecrisis - der Zeit, in der sich Menschen fragen, ob sie überhaupt genug gelebt haben und kurze Zeit später mit dem Mountainbike irgendwelche Klippen herunter rasen - und von sich selbst als weißer, alter Mann, der beim ‚abhotten' auf einem Konzert plötzlich in völligem Unwissen über die jüngere Konzertkultur von einem Moshpit überrannt wird. Auf einmal müsse man sich mit dem eigenen Alter auseinandersetzen, vor zehn Jahren habe er noch einen Kabarett-Nachwuchs-Preis erhalten, nun könne er beim Altglascontainer die braunen Flaschen kaum mehr von den grünen unterscheiden.
Von sich ausgehend widmet sich Max Uthoff dann aber den großen Themen des aktuellen Weltgeschehens und teilt dabei in fast alle Richtungen aus. In Lewis Carrolls ‚Alice im Wunderland‘ geht es um eine Reise in eine groteske Welt, in der uns bekannte Naturgesetze nicht mehr gelten und Widersprüche zur Normalität gehören. So zieht der Kabarettist den Vergleich zu unserer, der realen Welt, die sich immer wieder als so komplex und ambivalent herausstellt, dass sich alles komplett absurd anfühlen kann. Doch diese Absurdität und Ambivalenz anerkennen und noch viel wichtiger aushalten zu können, das ist es, was wir lernen müssen.
Da gibt es beispielsweise die Reichtumsverteilung, die sich bei näherer Betrachtung vollkommen absurd anfühlt. Während Privatpatient*innen existieren, müssen Menstruationsprodukte von Betroffenen noch immer selber gekauft werden, warum aber müssen Männer keine Zwangsabgaben beim Eintritt in die Pubertät bezahlen? Darüber hinaus stellt Uthoff die Absurdität verschiedener Parteien und Politiker*innen hervor: da würden Gefängnissen gleiche Asyllager mit Zustimmung der SPD errichtet, die CSU sei mittlerweile nur noch die Simulation von Politik mit Mitteln des Bauerntheaters, Lindner komme ihm vor wie eine KI nur eben ohne das I und Merz sei sowieso ‚ungesichert Rechtsextrem‘.
Insgesamt wird dieser Abend aber nicht allein von klugen Wortspielen oder zielgerichteten Pointen bestimmt, vielmehr spannt Max Uthoff über den Abend einen Bogen, der der Ambivalenz unseres Zeitgeschehens folgt und sich dabei auch in angemessener Ernsthaftigkeit den ganz großen Themen widmet. Er sinniert dabei unter anderem über das veraltete Schulsystem, die immer größer werdende Armut unter bestimmten Teilen der Bevölkerung, den unaufhaltbaren Klimawandel, das neue Aufkommen des Faschismus und schlussendlich eben das Leben selbst, eine eben vergängliche Phase des Seins. Als Max Uthoff über die vielen Opfer der Flüchtlingskrise spricht, die im Versuch ihrem Leid zu entkommen tausendfach im Mittelmeer ertrinken, wird es im Saal ganz still. Manchmal sei auch er einfach am Ende seines Sarkasmus angekommen.
Am Schluss bleibt nach einem in großen Zügen heiteren und kurzweiligen Abend eben doch dieser wichtige Appell: weiterhin achtsam zu bleiben, Widersprüche auszuhalten und sich weiter mit den Absurditäten und Ambivalenzen unserer Welt auseinanderzusetzen anstatt vor ihnen in den Opportunismus oder gar ganz in den eigenen Eskapismus zu verfallen, auch wenn es oft leichter wäre. Die Moderne ist vielschichtig, davon können wir aber auch profitieren und positiv in die Zukunft schauen. Dann ist es auch ein bisschen leichter zu ertragen, das die vierstellige Zahl morgen schon wieder um einen Tag weniger ist.