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Veranstaltungsinfo

Sa, 07.12.2024
20.00 Uhr
Literatur

26,00 / 12,00

Regulär / bis 25 Jahre

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Veranstalter: Theaterforum Gauting e.V.

Rufus Beck: Supergute Tage - Eine multimediale Lesung mit Film und Musik

Supergute Tage oder Die sonderbare Welt des Christopher Boone. Eine berührender und doch immer wieder komischer Roman von Mark Haddon, der für die Bühne von Rufus Beck adaptiert wurde.

Christopher, 12 Jahre, Mathematikgenie und Autist (Asperger Syndrom), möchte gerne das Abitur machen. Doch das ist in einer Sonderschule nicht ganz einfach. Nach dem überraschenden Tod seiner Mutter lebt er bei seinem Vater, der sich liebevoll um ihn kümmert, aber von Gefühlen versteht Christopher nur sehr wenig. Darum kümmert er sich lieber um den Pudel der Nachbarin.
Als er eines Tages den Hund tot im Garten findet, beschließt er, ein Buch zu schreiben und den Mörder des Hundes zu finden. Bei seinen "Ermittlungen" stößt er auf ein Geheimnis seines Vaters, das seine kleine, heile Welt mehr als bedroht …

[…] Mit seiner warmen, dunklen Stimme nimmt Beck die Zuhörer mit in die sonderbare Welt des Christopher Boone, den der Autor Mark Haddon faszinierend anschaulich beschreibt. […] Dass sich Rufus Beck mit großer Sensibilität in die Psyche und Denkweise eines Autisten einfühlen kann, ist vom ersten Moment an zu spüren. […]
KARIN HEININGER

Text MARK HADDON
Musik PARVIZ MIR-ALI

Pressestimmen
Welt ohne Emotionen
Pressestimme von Reinhard Palmer
Erschienen in:   Süddeutsche Zeitung - Starnberg

Rufus Beck präsentiert im Gautinger Bosco den Roman des Briten Mark Haddon „Die sonderbare Welt des Christopher Boone“: Mit multimedialer Unterstützung offenbart er die Gedankengänge eines Autisten im Ausnahmezustand, der den Mord an einem Pudel klärt.

Gauting – Supergute Tage sind die, an deren Morgen der 15-jährige Christopher Boone hintereinander fünf rote Autos sieht. Rot mag er, gelb nicht. Es reichen schon vier gelbe Autos, damit es ein „schwarzer Tag“ wird. Als seine 38-jährige Mutter Judy einen Herzinfarkt erlitten haben soll, obwohl sie sich vollwertig ernährt und nicht zur Risikogruppe gezählt hatte, schickt er ihr eine selbst gemachte Gute-Besserung-Karte mit neun roten Autos. Sie stirbt dennoch. Vermeintlich. Denn eigentlich ging sie nur weg, weil sie an Christopher zerbrochen war und darunter litt, dass sein Vater Ed mit ihm besser zurechtkam.

Leicht hat es keiner mit Christopher, denn er ist ein besonderer Junge und lebt in einer Welt ohne Emotionen. Er ist Autist der Sonderform Asperger-Syndrom – zumindest im Roman des Briten Mark Haddon „Supergute Tage oder Die sonderbare Welt des Christopher Boone“ (Originaltitel: „The Curious Incident of the Dog in the Nighttime“). Dass Rufus Beck – am Samstag zu Gast des Gautinger Bosco – nicht einfach nur daraus las, sondern eine multimediale Collage daraus machte, war sicher nicht nur aus Lust und Laune geschehen. Es ging vielmehr darum, auch das rüberzubringen, was zwischen den Zeilen stand: In die Gedanken- und Wahrnehmungswelt eines Autisten vorzudringen, ist ein höchst komplexes Unterfangen und nicht allein in Worte zu fassen.

Deshalb war es vermutlich wohl eher ein Irrtum, den Roman auch mit Jugendbuchpreisen auszuzeichnen. Durchaus: Konsequente, stets der Wahrheit verpflichtete Logik ohne Kompromisse kann schnell komisch wirken und der Fall des ermordeten Pudels Wellington einen Kinderkrimi vorgaukeln. Aber darum ging es hier nur peripher: Das Bild des von einer Mistgabel durchbohrten Wellington nutzte Haddon gleich zu Beginn, um die Lesenden auf die nüchtern analysierende Betrachtungsweise eines Autisten zu eichen. Und Rufus Beck tat gut daran, hierbei kein Entsetzen in die Stimme zu legen, denn Christophers Sympathie für Hunde und sein Trauern sind keine Emotionen im üblichen Sinne.

Gerade das war für den Autor ein Spagat: Die gängige Ausdrucksweise zu verwenden, ihr dennoch andere Bedeutungen zu hinterlegen. Der deutsch-iranische Komponist, Sounddesigner und Filmproduzent Parviz Mir-Ali erinnerte bei jedem Kapitelwechsel daran, dass in Christophers Hirnwindungen ganz sonderbare Dinge spuken: Er setzte auf animierte Binärcodes, Zahlenreihen, abstrakte Gebilde oder schematische Zeichnungen, die mit bestimmten Instrumenten und Klangfarben mit einer hörbaren Systematik in Verbindung standen.

Da er Hunde mag, will Christopher wissen, wer Wellington umgebracht hat, und geht der Sache nach: Seine Recherchen hält er schriftlich fest, denn es soll ein Kriminalroman daraus werden. Die Kapitelnummerierung mit Primzahlen der mit einer mathematischen Inselbegabung ausgestatteten Romanfigur hat auch Haddon für seinen Roman übernommen. Zum Verständnis birgt dies allerdings allenfalls die Erkenntnis, dass sich diesbezüglich beim Nichtautisten keinerlei Befriedigung oder sonstige Emotionen einstellen. Ganz im Gegenteil: Es suggerierte Lücken im Text. Christopher muss mit vielen Unwägbarkeiten zurechtkommen, denn die Wenigsten, die ihm begegnen, nehmen auf seine Besonderheit Rücksicht.

Anfassen kann zu Kontrollverlust führen, Lärm und sonstige Reizüberflutung lösen Panikattacken aus. Emojis mit Mimikmustern seiner Psychiaterin Siobhan helfen ihm, wie er Reaktionen der Menschen zu deuten hat und die ihm auch sonst die Welt der anderen erklärt. Siobhan stattet Christopher mit Eselsbrücken aus, damit eine Verbindung beider Welten möglich wird. Rufus Beck trat manchmal zur Seite, unterbrach den Vortrag; die Fortsetzung erschien schriftlich in der Projektion.

Und dann wurde sichtbar, was man gesprochen wohl kaum bemerkt hätte: Als Christopher etwa aufzählt, was ihm alles Probleme bereitet, werden die Sätze immer länger. Übereinander geschrieben formten ihre Enden eine exakte Diagonale. Die Projektionen halfen auch beim Verständnis der Lösungswege Christophers, wenn er etwa riesige Zahlen miteinander ad hoc multipliziert oder bei Rätseln Visualisierungen die Aufgabe überhaupt vorstellbar machen. Und schließlich wird auch der Kriminalfall gelöst: Der Vater hat nach einem Streit mit Eileen Shears auf ihren Pudel eingestochen. Aus Wut und Verzweiflung. Christopher nimmt es zur Kenntnis und will zur Mutter, deren Brief ihm der Vater aber vorenthielt.

Gibt es ein Happy End? Möglich. Aber Haddon zog es im 229. Kapitel vor, einen Traum Christophers zu schildern, den Beck treffend mit lyrischem Tonfall versah. Denn die menschenleere Traumwelt empfindet Christopher als Wohltat: endlich Stille im Kopf, endlich Frieden. Zum Glück war Christopher nicht im Bosco, die frenetischen Ovationen hätten ihm nicht gutgetan. Rufus Beck hingegen schon.

Nach(t)kritik
Die Schönheit der Primzahlen
Nach(t)kritik von Sabine Zaplin

Wie wahrscheinlich ist es, dass fünf rote Autos unmittelbar hintereinander vorüberfahren? Christopher kann die Wahrscheinlichkeit, dass dies geschieht, im Kopf berechnen. Ein Tag, sagt Christopher, an dem hintereinander fünf rote Autos vorüberfahren, ist ein superguter Tag. Es gibt nicht viele supergute Tage in Christophers Leben. Das sagt zumindest sein Vater. Weil er weiß, dass im Leben seines 15-jährigen Sohnes schon viel schief gelaufen ist. Denn Christopher ist zwar ein Mathe-Genie, doch er kann das Verhalten der Menschen um ihn herum nicht deuten. Menschen sind schwer zu berechnen. Zum Beispiel Christophers Mutter: als Christopher eines Tages aus der Schule heimkommt, ist sie nicht da. Der Vater erklärt, sie sei im Krankenhaus, und wenig später erklärt er, sie sei gestorben. Doch dann macht Christopher eines Tages eine verwirrende Entdeckung. An einem Tag, an dem viele gelbe Autos hintereinander fahren. Ein mieser Tag ist das. Aber er könnte sich noch wandeln. Christopher muss nur die Augen schließen und nach innen schauen.

Rufus Beck hat die Geschichte von Christopher ins bosco gebracht. „Supergute Tage“, der mehrfach ausgezeichnete Roman von Mark Haddon, ist die Geschichte eines jungen Außenseiters, der autistische Züge aufweist (wobei Haddon Wert darauf legt, kein Buch über Autismus geschrieben zu haben, sondern vielmehr über einen besonderen Jungen, der den gleichen Respekt verdient wie die scheinbar „Normalen“). Beck gibt Christopher eine Stimme, er lässt ihn über seine besondere Form der Sprachgestaltung lebendig werden. Christophers Stimme verschafft sich Raum im Saal und nimmt das Publikum mit in seine Welt. Eine Welt, in der es nicht einfach ist, sich zurechtzufinden, weil Christopher nur zwei Gefühlszustände genau erkennen kann: traurig oder glücklich Seine Lehrerin Siobhan zeigt ihm anhand von Emojis, welche Varianten von traurig und glücklich es noch gibt und was alles in den Ebenen dazwischen existiert und geschieht. Doch diese Sprache erschließt sich Christopher nicht, was Rufus Beck gleich am Beginn des Abends hörbar, nachvollziehbar gestaltet, als er Christophers Stimme Gestalt werden lässt und so alle zu Zeugen und Zeuginnen eines erschreckenden Vorfalls werden: der Hund der Nachbarin wurde mit einer Heugabel erstochen. Wie Christopher den Hund findet, ihn umarmt und sich vornimmt, den Mörder des Tieres zu finden - genau wie ein Spuren verfolgender Detektiv -, das wird an diesem Abend hör- und spürbar und verwandelt sich über das reine Zuhören in eine im wahrsten Sinne des Wortes zu Herzen gehende Geschichte.

Rufus Beck sitzt währenddessen auf einem Barhocker vor einer großen Leinwand, auf der mal die von Christopher gezeichneten Autos zu sehen sind, mal Primzahlen (die liebt Christopher sehr) oder Rechenaufgaben - die Illustrationen aus dem Buch eben. Dazu erklingt eine von Parviz Mir Ali für diese Produktion komponierte Musik, eingespielt auf einem afrikanischen Instrument. Puristinnen wie die Rezensentin können auf solche multimedialen Angebote verzichten, die Geschichte kann sehr gut für sich stehen. Aber es ist verständlich, dass manche etwas brauchen, worauf ihr Auge ruhen kann während eines solchen Abends. Im Zentrum jedoch blieb trotz allem die Geschichte eines Jungen, der aus einer anderen Perspektive auf die Welt schaut. Und das kann diese im Augenblick mehr brauchen denn je.

Galerie
Bilder der Veranstaltung
Sa, 07.12.2024 | © Werner Gruban - Theaterforum Gauting e.V.