„Ganz egal, ob der Laden voll war oder leer – wir haben immer mit vollem Herzen und volle Pulle gespielt.“ Wally Warning, wie er leibt und lebt: Der Mann, der einst von der Karibikinsel Aruba kam, um in Europa sein Glück als Musiker zu machen, hat ein halbes Jahrhundert lang vor allem ungezählten anderen Menschen in seinen Live-Konzerten so etwas wie Glücksmomente beschert, nicht zuletzt in seiner Wahlheimat München und deren Umgebung. Dass er eine riesige Fangemeinde hat, merkt man zum Beispiel an seinen Gastspielen im bosco, wo Wally nun zum dritten Mal seit 2017 gemeinsam mit Tochter Ami auftrat und gleich zu Beginn diesen visitenkartenmäßigen Satz sagte – denn die Bude war voll, keine Selbstverständlichkeit in diesen düsteren Zeiten.
Der Dreijahresabstand der Gautinger Warning-Konzerte bietet einem als Beobachter auch die Gelegenheit, Vater und Tochter in ihrer Entwicklung und Bezüglichkeit zu verfolgen, und das nicht nur in musikalischer Hinsicht: Wally, obwohl seit einigen Jahren von einer hartnäckigen Krankheit gepeinigt, hat von seiner überwältigenden Ausstrahlung nicht das Geringste eingebüßt. „Er ist sehr stark“, sagte seine Frau am Rande des Konzerts, „aber wenn er Musik machen kann, geht´s ihm gut.“ Der gut 70-Jährige sagt gleich am Anfang auf gut Bairisch zu seinen bosco-Freunden, er fühle sich „dahoam“, und bringt dann wie zur Bestätigung den Song „My Music“. Es ist die simple Wahrheit, dass Wally Warning ohne diese „seine“ Musik wohl nicht überleben könnte. Seiner tief christlichen Einstellung entspricht es, dass er das Leben nimmt, wie es eben kommt, und dies in Liedern wie „Take Life“ zum Ausdruck bringt. Große Dankbarkeit bringt der Mann auf, wenn er auf seine wundervolle Tochter Ami schaut, die da neben ihm auf der Bühne sitzt und längst selber eine gestandene Singer-Songwriterin geworden ist: „Ich habe immer gebetet, dass ich mal eine solche Tochter bekomme“, sagt Wally und schickt sein karibisches Papa-Lächeln hinüber – alles scheint gut in diesem Moment.
Mit Ami, die sich in ihren deutschen und englischen Texten eine spannende Eigenwilligkeit bewahrt hat, gibt es auf der Bühne zwischen den Songs meist ein liebevoll-witziges Vater-Tochter-Geplänkel. Mal begleitet er sie, mal macht sie für ihn die Backing Vocals. Es werden Gitarren hin und her gereicht, es wird gefrotzelt („Sie ist so streng“ – „Papa hat wieder eine ganze Liste mit neuen Songs dabei, die ich nicht kenne“), und stets ist eine ganz besondere Harmonie zu spüren. Der Abend erzählt so einiges aus dem Leben der beiden, von Unwägbarkeiten, Enttäuschung, Rebellion: Wallys wohl berühmtester Song „No Monkey“ ist eben nicht nur eine Gute-Laune-Nummer, sondern die musikalische Abrechnung mit betrügerischen Plattenfirmen aus der Vergangenheit. Und „Pain“ berichtet hautnah davon, wie es ist, von den Schmerzen einer tückischen Krankheit gepeinigt zu werden, und von der Angst vor der Rückkehr dieses Schmerzes.
Ami wiederum hat ihren eigenen Weg gefunden, sich zu retten, etwa in Liedern wie „Fliegen“: Wenn du es wirklich willst / dann renn einfach los / Weil es kann dich keiner mehr kriegen / wenn du anfängst zu fliegen . . . “ Musikalisch vom Papa emanzipiert und doch souverän genug, von Wally auch mal treibende Rhythmus-Elemente in ihre Songs zu übernehmen. Geradezu aufregend ihre Version des Bill-Withers Klassikers „Ain´t No Sunshine“. Beiden, Ami und Wally, ist gemeinsam, dass sie Schwätzern misstrauen und sich in ihren Liedern sicherer fühlen als im Gesprochenen – Wally hat das schon in den frühen 80er Jahren mit dem immer wieder neu arrangierten „Promises“ zum Thema gemacht, und auch die erwähnten Unwägbarkeiten („Talks“; „Never Know“) beschäftigen ihn bis heute. Den bosco-Zuhörern rät er: „Check the lyrics!“ Das Positive, Lebensbejahende überwiegt am Ende natürlich wieder, wenn diese Kämpfernaturen zusammen ein Konzert geben. Wally und Amis Botschaft: Es gibt nur eines, nämlich Liebe – und sonst „Goanix“, wie Wally nachschiebt. Und ein weiteres Mal lassen sie die Leute mit dem Gefühl nach Hause gehen, beschenkt worden zu sein.