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Veranstaltungsinfo

Fr, 10.03.2023
20.00 Uhr
Ausstellung | Diskussion

Eintritt frei

Anmeldung über das Theaterbüro
unter 089 45 23 85 80 oder kartenservice@theaterforum.de

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Veranstalter: Theaterforum Gauting e.V.

Diskussion zur Ausstellung: "Kinokrise/Kinoperspektiven"

Paneldiskussion zur Ausstellung "Cinemas - From Babylon Berlin to La Rampa Havana".

Die Filmkultur steckt in der Krise. Während die DVD nicht nur abseitiger Filmperlen zunehmend aus dem Handel verschwindet, Pay-TV-Angeboten wie von Sky wenig Überlebenschancen attestiert werden, das Ende des traditionellen Fernsehens mit Blick auf die massive Überalterung seines Publikums in greifbare Nähe rückt, hat das Kinosterben infolge der Pandemie wieder einmal eine neue Brisanz erfahren. Dabei hat der Tod des Kinos viele Gesichter: Sichtbar vor allem am voranschreitenden Verlust an konkreten Orten und damit auch des Kinos als Kulturpraxis, aber ebenso am stetigen Verschwinden des deutschen und europäischen Filmschaffens wie des so genannten Weltkinos, also außereuropäischen Filmwerken abseits der Produktionen US-amerikanischer Major Studios. Und so mag es verwundern, dass sich ein Sektor der Filmkultur national wie international anhaltend im Aufwärtstrend befindet: die Filmfestivals. (TANJA C. KRAINHÖFER)

Diese und andere Formen eines Kinos von morgen diskutieren renommierte Expert*innen in Erweiterung der Ausstellung „Cinemas“.

 

Diskussionsteilnehmende

Tanja C. Krainhöfer
Tanja C. Krainhöfer studierte Produktion und Medienwirtschaft an der Hochschule für Fernsehen und Film München. Spezialisiert auf den Filmfestivalsektor ist sie heute im Bereich Markt-, Wettbewerbs- und Erfolgsfaktorenanalyse in der angewandten Forschung tätig. Sie berät Festivals bei ihrer strategischen Positionierung und Entwicklung sowie Akteur*innen aus dem öffentlichen, privatwirtschaftlichen und gemeinnützigen Bereich bei ihrer Zusammenarbeit mit diesen. Sie ist Gründerin der interdisziplinären Forschungsinitiative Filmfestival Studien.

Michael Fleig
Dr. Michael Fleig ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Medienwissenschaft der Universität Regensburg, wo er unter anderem Seminare zur Kinogeschichte gibt. Darüber hinaus ist er seit 2010 einer der Veranstaltenden der Internationalen Kurzfilmwoche Regensburg.

Matthias Helwig
Betreiber der Breitwand-Kinos im Landkreis Starnberg und Leiter des Fünf Seen Filmfestivals.

Moderation Tanja Weber

 

Zur Ausstellung
Auf mehreren Reisen in die ostdeutschen Bundesländer, nach Kuba, Russland oder Osteuropa hat die Münchner Fotografin Margarete Freudenstadt seit 1989 eine sich im Umbruch befindende Kinolandschaft mit einem Fokus auf das „sozialistische Kino“ dokumentarisch porträtiert.

Eröffnung & Stummfilme Di 28.02.2023 | 19:00 | Eintritt frei, Anmeldung über das Theaterbüro
Diskussion Fr 10.03.2023 | 20:00 | Eintritt frei, Anmeldung über das Theaterbüro
Film im Kino Breitwand Di 21.03.2023 | 19:30 | Eintritt € 11, Anmeldung über das Kino Breitwand Gauting
Dauer der Ausstellung Bis Fr 21.04.2023 zu den Öffnungszeiten des bosco und während der Abendveranstaltungen für Gäste der entsprechenden Veranstaltung

Der Besuch unserer Ausstellungen während der Öffnungszeiten des bosco ist frei. Bitte beachten Sie bei Ihrem Besuch die momentan geltenden Corona-Hinweise.

Nach(t)kritik
"Es wird immer Kino geben..."
Nach(t)kritik von Christine Cless-Wesle

Corona-Pandemie mit verordneten Kino-Schließungen verbannten die Menschen vollends auf ihre heimischen Sofas:  Ein hochkarätig besetztes Podium diskutierte deshalb in der Bar rosso mit dem „Breitwand“-Betreiber Matthias Helwig und Filmfestival-Forscherin Tanja C. Krainhöfer die aktuelle Krise. Cineast Matthias Helwig, der das neue Gautinger „Breitwand“ mit fünf Sälen und Lokal “Tati“ betreibt, machte Mut: Mit Filmfestivals, Formaten wie Filmgesprächen würden Kinos wieder zu „lebendigen Treffpunkten“, ist der Leiter des Fünf Seen-Filmfestivals überzeugt. Aber  die Jugend „haben wir an Netflix verloren.“

Vor den Plakaten der aktuellen Ausstellung „Cinemas - From Babylon Berlin to la Rampa Havana““ diskutierten circa 30 versammelte Cineastinnen und Cineasten in Gauting das allgemeine Kinosterben. Die gelungenen, einzigartigen Fotos von Margarete Freudenstadt, die noch bis 21. April im bosco hängen werden,  dokumentieren dazu ergänzend  längst verlassene Lichtspielhäuser in der 1989 untergegangenen DDR.  Aber auch menschenleere Kinogebäude im sozialistischen Kuba.

Streaming-Dienste beschleunigten seit den Nuller-Jahren das  allgemeine Kinosterben - auch in München, wirft Filmfestival-Forscherin und Strategieberaterin Tanja C. Krainhöfer den Blick zurück. Denn Türkendolch, Lupe oder Filmcasino am Odeonsplatz sind längst Geschichte. Allein in Berlin sank die Anzahl der Kinos seit 2009 von 97 Standorten auf heute 81 - „ein Rückgang von fast 20 Prozent.“

Während früher die Twens die stärkste Gruppe der Kinogänger waren, sähe man die heute kaum noch, blickt die Medienwissenschaftlerin zurück. Aber auch Free TV habe keine Zukunft. Das Durchschnittsalter eines ARD-  Zuschauers sei bereits 65 Jahre.  

Erstaunlich: Bereits 1972 habe der legendäre Filmkritiker Peter Jansen den Untergang von TV und Kino prognostiziert: Kapitalgeber wie Google, Amazon, Apple, die genaue Kenntnis über die Vorlieben ihre Nutzer haben „werden die Gesellschaft künftig kanalisieren“, blickte die Medienwissenschaftlerin  voraus.

Der Film „Triangle of Sadness“ sei die einzige große  Ausnahme gewesen, der alle Generationen zurück ins Kino holte - einem niederschwelligen „Kulturort.“

„Enormen Zuwachs“ seit den 1980er-Jahren verzeichneten lediglich die deutschen Filmfestivals. Denn da nehme eine Festivalleiterin etwa die Migrations-Community der Griechen oder Türken als Zielgruppe an die Hand- „und schaffe einen Begegnungsort.“ Umwelt-, Doku-, Frauen-Film-Festivals „geben in einer komplexen Welt Orientierung“, verrät  Medienwissenschaftlerin  Krainhöfer das Erfolgsgeheimnis dieses Formats.

„War es Trotz, Naivität oder grenzenloser Optimismus, dass du in Gauting ein Kino mit fünf Sälen gebaut hast?“ stellt die Moderatorin und Drehbuchautorin Tanja Weber dem Cineasten Mathias Helwig nach dem pessimistischen Vortrag die Grundsatzfrage.

Er habe ja schon zuvor „30 Jahre lang Kino gemacht“,  erinnert der Betreiber der „Breitwand“-Kinos und Fünf Seen Film Festival-Leiter - „und ich mache sehr viel aus dem

Bauch heraus.“  Doch ein Filmtheater mit einem einzigen Saal sei nicht wirtschaftlich, weil da nur ein Streifen gezeigt werden kann, aber jede Woche kämen 10 bis 15 Filme neu auf den Markt. Aus diesem Grund habe er sein „Breitwand“ Herrsching als „Einzelkino“ 2018 geschlossen. Auch das Starnberger „Breitwand“ als Doppelkino sei „eigentlich nicht mehr machbar.“ 

Dass Corona mit Schließungen noch dazukam „war nicht in meinem Kalkül“, bekennt Matthias Helwig.

Er müsse daher neue Besuchergruppen aus der nächsten Generation  erschließen. Doch abgesehen vom Publikumsmagnet „Traingle of Sadness“ gingen die Töchter und Söhne der Arthouse-Väter durch die Streaming-Dienste leider verloren, bedauert Cineast Matthias Helwig (63).

„Ganz schlimm“ habe er gefunden, dass es bei Kulturpolitkern nach den Corona-Schließungen geheißen habe, „Kinos sind vernachlässigbar.“  Denn sie seien ein „niedrigschwelliger“ Kulturort und Treffpunkt aller sozialen Schichten.

Die deutsche Filmförderung gehe ihm total gegen den Strich, weil sie keine finanziellen Anreize schaffe, damit die Leute ins Kino gehen, so Helwig weiter. Denn die Politik fördere die deutsche Filmproduktion. Es spiele dabei keine Rolle, dass sich hinterher nur ein einzelner Zuschauer den Film im Kino anschaut.

„Es wäre einfach schön“, wenn sich Jung und Alt im Kino  mehr mischen würden, resümiert Breitwand-Betreiber Matthias Helwig. Er biete deshalb auch Filmgespräche an.

Aber dass gerade mal ein Jugendlicher am aktuellen „Coming-of-Age“ Film „Sonne aus Beton“, interessiert war, „gibt mir zu denken.“

Er lasse indes nichts unversucht: Einmal habe er  eine Jugendgruppe, die im Gautinger Kinolokal „Tati“ saß, zur Vorstellung bei freiem Eintritt eingeladen - leider ohne Erfolg. Denn die Jugend habe er an Netflix verloren.

Die unmittelbare Zukunft mit nur noch 60 Prozent Arthouse-Besuchern „wird sehr schwer werden“, prophezeit Matthias Helwig. Doch längerfristig werde es „immer Kino geben - und Menschen, die es gestalten wollen“ ist der Cineast überzeugt, denn: „Ich mach's eh noch eine Weile“, sagt der 63-Jährige mit feinem Lächeln.

Galerie
Bilder der Veranstaltung
Fr, 10.03.2023 | © Werner Gruban - Theaterforum Gauting e.V.