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Veranstaltungsinfo

21.11.2023 - 21.01.2024
19.00 Uhr
Ausstellung

Eintritt frei

Anmeldung erwünscht
unter 089 / 452 38 58-0 oder
kartenservice@theaterforum.de

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Veranstalter: Theaterforum Gauting e.V.

Priscillia Grubo: Breadwinners

Die Ausstellung Breadwinners bildet Auftakt und Rahmen zu unserem Themenschwerpunkt "Geld & Gleichstellung".

Priscillia Grubo interviewte und fotografierte Frauen, die mehr als ihr männlicher Partner verdienen oder verdient haben. Die Idee für dieses Projekt entstand durch die Entdeckung eines Artikels, der eine Studie kommentierte und unter anderem zu dem Ergebnis kam: "A married woman earning more increases the probability of unhappiness in her union."

Aus den Erzählungen der sogenannten "Familienernährerinnen" entstanden neben Texten Fotografien und Videos, die sich mit Themen wie Mental Load, dem Wirtschaften von Paaren und dem Aushandeln der Elternzeit beschäftigen. Dabei geht es um gesamtgesellschaftliche Fragen, denn es ist bekannt, dass trotz der Anstrengungen Geschlechtergleichheit im Kontext von Lohnarbeit zu erreichen, sich traditionelle Geschlechterrollen gerade innerhalb von Familien und Paarbeziehungen hartnäckig halten. Geld spielt dabei eine zentrale Rolle. Die Auseinandersetzungen um diese Ungleichheiten finden nicht nur in der Öffentlichkeit, sondern vor allem auch im Privaten statt.

Biografie
Die französische Fotografin Priscillia Grubo lebt in München und arbeitet seit einigen Jahren im Bereich der Porträt- und Reportage-Fotografie. In ihren freien Projekten lässt sie sich vom "Schwarzsein" und der weiblichen Erfahrung inspirieren.

 

Programm zur Ausstellungseröffnung
Lecture Performance "Selbst-Schuld-Katapult – Eine künstlerische Auseinandersetzung mit weiblicher Altersarmut": Weibliche Altersarmut ist eine Konsequenz vieler gesellschaftlicher Problemlagen, die an diesem Abend anhand eines Zusammenspiels von Textfragmenten und performativen Interventionen künstlerisch sichtbar gemacht werden. Ausgehend von Interviewmaterial sollen Frauen aus unterschiedlichen Milieus in Form von ethnographischen Portraits eine Stimme bekommen. Das Material wurde im Rahmen eines langjährigen kollektiven Forschungsprojekts (Leitung: Prof. Dr. Irene Götz) unter Mitarbeit der Kulturwissenschaftlerin Dr. des. Alexandra Rau an der LMU München erhoben, die den Abend gemeinsam mit der Künstlerin Maria Berauer inszeniert.
In der Auseinandersetzung mit Altersarmut geht es u.a. um die Frage, welche Affekte damit verbunden sind. Wie fühlt sich Altersarmut an? Wie wirken sich beispielsweise Scham, Schuld oder auch Einsamkeit auf den Alltag Betroffener aus? Die Lecture Performance verdeutlicht nicht nur strukturelle Gemeinsamkeiten betroffener Frauen und will diese körperlich erfahrbar machen, sondern setzt sich auch mit kollektiven Handlungsperspektiven auseinander.
Die Porträts und Textfragmente werden dialogisch von der Autorin Alexandra Rau, der Performerin Sara van der Weck und der Schauspielerin Shirli Volk gelesen sowie von der Künstlerin Maria Berauer körperlich performativ umgesetzt.
Im Anschluss an die Lesung gibt es die Möglichkeit, zusammen ins Gespräch zu kommen und sowohl über die Lecture Performance, eigene Erfahrungen als auch über die Ambivalenzen und Fallstricke politischer Maßnahmen sowie neoliberaler Anrufungen an die Eigenverantwortung zu sprechen.

Text und Konzeption ALEXANDRA RAU
Performance MARIA BERAUER
Sprecherinnen ALEXANDRA RAU, SARA VAN DER WECK, SHIRLI VOLK

MARIA BERAUER ist eine in München ansässige Künstlerin. Ihr künstlerisches Schaffen umfasst Performances, Videos, Installationen, Klangkunst und Aktionen im öffentlichen Raum. Verbindendes Element in ihrer künstlerischen Praxis ist der eigene Körper, den sie als Werkzeug und Material einerseits und andererseits als Informationsquelle und Mittel des Selbstausdrucks einsetzt. Gleichberechtigt neben ihrem individuellen Schaffen steht für sie die Arbeit in Künstler*innen-Kollektiven.

DR. DES. ALEXANDRA RAU, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Empirische Kulturwissenschaft der LMU München, beschäftigt sich seit vielen Jahren ethnographisch mit Altersarmut von Frauen. Sie forscht und lehrt zu den Themenfeldern Arbeit und Prekarität, Affect Studies sowie Geschlechterforschung und verfolgt das Anliegen, wissenschaftliche Erkenntnisse durch kreative Formate breiter zugänglich zu machen. Sie ist Teil des F*AMLab-Kollektivs.

SARA VAN DER WECK ist Sozialpädagogin, angehende systematische Therapeutin, DJ, Mitglied des Mystic Choir Kollektivs und beschäftigt sich in beruflichen sowie künstlerischen Kontexten mit Fragen der Macht.

SHIRLI VOLK ist eine feministische und klimapolitisch aktive Konditormeisterin und Schauspielerin aus München.

 

Zum Themenschwerpunkt "Geld & Gleichstellung"
Mit dem Themenschwerpunkt "Geld & Gleichstellung" widmen wir uns bestehenden gesellschaftlichen Unterschieden zwischen den Geschlechtern und wie diese durch finanzielle Aspekte geprägt werden. Anhand verschiedener Perspektiven möchten wir zum Diskurs anregen, wie durch Veränderung gesellschaftlicher Machtverhältnisse die Gleichberechtigung aller Geschlechter erreicht werden kann.

Ausstellungseröffnung & Lecture Performance Di 21.11.2023 | 19:00 | Eintritt frei, Anmeldung erwünscht
Film So 03.12.2023 | 11:00 | € 11 / € 9, Karten über das Kino Breitwand Gauting
Vortrag Fr 08.12.2023 | 20:00 | Eintritt frei, Anmeldung erwünscht
Lesung Di 16.01.2024 | 20:00 | € 15 / € 8
Ausstellung "Breadwinners" Di 21.11.2023 bis So 21.01.2024 | zu den Öffnungszeiten des bosco und während der Abendveranstaltungen | Eintritt frei 

Nach(t)kritik
„Hört ihr das Gras wachsen?“
Nach(t)kritik von Amos Ostermeier

Beim Betreten des Theaterforums fällt der Blick sofort auf eine Fotografie am oberen Ende der Treppe. Das Bild zeigt eine lederne Handtasche auf einem grünen Polstersessel. Die Handtasche ist bis zum Rand mit Brötchen gefüllt, scheint fast überzuquellen. Einen passenderen Einstieg in die Ausstellung „Breadwinners“ der französischen Fotografin Priscillia Grubo hätte man nicht finden können. In ihren Fotos porträtiert die in München lebende und arbeitende Künstlerin Frauen, die innerhalb ihrer Beziehungen mehr verdienen oder verdient haben als ihre männlichen Partner. Die Idee kam der Künstlerin, die sich innerhalb ihres Schaffens stets auch mit ihrer eigenen Identität als Schwarze Frau auseinandersetzt, als sie auf eine Studie stieß, die zu dem Ergebnis kam, dass Beziehungen, in denen die weibliche Partnerin mehr als der männliche Partner verdient, für diese oft unglücklicher verlaufen als in den klassischen Rollenbildern unterworfenen Beziehungen. Aus Neugier und Frust wurde also die Idee zur Fotoreihe geboren, so Priscillia Grubo, die in ihrer Arbeit schnell darauf stieß, dass Geld gar nicht unbedingt der Grund sondern mehr eine Ausrede für die unglücklichen Erfahrungen innerhalb der untersuchten Beziehungen ist; vielmehr sind die zugrundeliegenden Probleme gesellschaftlich konstruierte, wie beispielsweise die Frage nach der Übernahme von Carework, dem nach wie vor bestehenden Gender Pay Gap und natürlich überholten Geschlechterrollen in intersektionalen Kontexten an sich.

In ihren Fotos nähert sich Priscillia Grubo dabei dem Thema von zwei Richtungen aus an, zum einen werden die Frauen klassisch porträtiert, blicken einen durch die Ausstellung an, werden von der Künstlerin als selbstermächtigt dargestellt. Auf der anderen Seite werden viele Fotografien gezeigt, die sich dem Thema erzählerisch und in Objekten künstlerisch annähern, mit zugrundeliegenden Klischees spielen, diese aufbrechen und hinterfragen und sich auf die Suche nach dem Grund machen, warum Beziehungen unglücklicher sind, in denen die Frau mehr verdient als ihr männlicher Partner.

Begleitet wird die Ausstellungseröffnung durch eine Lecture-Performance, die sich mit dem Thema der weiblichen Altersarmut auseinandersetzt, sich also ebenfalls mit der Rolle von weiblich gelesenen Personen als Leidtragende von gesellschaftlich konstruierten Geschlechterrollen beschäftigt und damit weiterhin Geld im Kontext weiblicher Erfahrungswerte betrachtet und hinterfragt. Dargeboten wird die Performance von den Sprecherinnen Alexandra Rau, Sara van der Weck und Shirli Volk, performativ begleitet von der Künstlerin Maria Berauer. Die drei Sprecherinnen tragen in drei Akte unterteilt drei Geschichten von Betroffenen vor, die sich fragmentarisch aus Interviewausschnitten der drei dargestellten Personen zusammensetzen. Dabei werden anhand der unterschiedlichen und individuellen Erfahrungen drei übergeordnete Themenbereiche offenbart, die dem Erleben weiblicher Altersarmut zugrundeliegen. Der ersten Akt betrachtet das Scham- und Schuldgefühl und erzählt von einer unverheirateten Frau, der nach 40 Jahren Arbeit und dem Einzahlen in die Rentenkasse kaum genug Rente zum Leben bleibt und die nun nach dem lebenslangen Kampf gegen ein System, dass sie stets unterdrückt hat, von genau diesem System abhängig ist und sich innerhalb dieser Ambivalenz selbst die Schuld an ihrer Armut gibt. Im zweiten Akt wird das Minderwertigkeitsgefühl und die Einsamkeit thematisiert, wir erfahren im vorgetragenen Text von einer alleinerziehenden Frau, die sich nach einer plötzlichen Kündigung mit dem Verkauf von Zeitungen über Wasser halten musste - eine gesellschaftlich so stigmatisierte Beschäftigung, dass sich das Stigma auf sie selbst übertrug und die anfängliche Nebentätigkeit zur einzigen Möglichkeit auf Arbeit wurde, wodurch sie aus ihrer Heimatstadt aufgrund der hohen Mieten wegziehen musste und damit in ihrem Gefühl, nichts wert zu sein, bestätigt wurde. Der letzte Akt erzählt von der absoluten Selbstaufgabe und beschäftigt sich mit der Geschichte einer Frau, die ihr eigenes Leben stets unter die ihr sozial zugeschriebene und gesellschaftlich aufgebaute Mutterrolle stellte und sich und ihr Leben völlig der Frage unterwarf, möglichst keine Last für ihre eigenen Kinder werden zu wollen und bloß keine Schulden zu hinterlassen, was sie selbst, ungeahnt von der eigenen Familie, immer weiter in die Armut rutschen ließ.

Während die Texte aus den Interviews vorgetragen werden, sitzt die Performerin Maria Berauer anfangs dabei, sie ist unter ein riesiges Bettlaken gehüllt, ein Gespenst der Unsichtbarmachung des hier behandelten Themas. Nach und nach befreit sie sich das Laken von innen mit einer Schere zerschneidend aus demselben und macht sich aktiv sichtbar, auch wenn dies von einer anfangs kämpferischen Pose mehr und mehr am Boden kauernd und kriechend passiert. In einem letzten Akt des Aufbegehrens aber reißt sie das Laken in Stücke und verteilt diese wieder aufrecht gehend im Raum. Auf ihrer Brust steht in großen Buchstaben ‚selbst schuld‘, wie eine Kennzeichnung. Nun aber zieht sie sich ihre Schuhe aus und eine Jacke an, schminkt sich und beginnt im letzten Akt der Performance unzählige Luftballons aufzublasen, aus welchen sie eine Girlande bastelt, die sie durch den Raum gespannt aufhängt. Am Ende nach all den Texten wird es dunkel, Maria Berauer zündet eine Wunderkerze an, deren Funken die einzige Lichtquelle im dunklen Raum werden. Es ist ein kämpferischer und hoffnungsvoller Moment, der zurückbleibt und die Sichtbarmachung dieser sonst vom System beschämten, beschuldigten und stumm gemachten Identitäten unterstreicht.

Ein eindrucksvoller Abend eröffnet die nicht weniger eindrucksvolle Ausstellung der Künstlerin Priscillia Grubo, die sich auf gekonnte visuelle Art und Weise mit einem so aktuellen Thema auseinandersetzt, wichtige Fragen aufwirft und den Beginn des neuen Themenschwerpunktes "Geld & Gleichstellung“ markiert. Sehr schade, dass diesem beeindruckenden Abend nur so wenig Menschen beiwohnten.

Galerie
Bilder der Veranstaltung
Di, 21.11.2023 | © Werner Gruban - Theaterforum Gauting e.V.