Es braucht nicht mehr als zwei Stühle und einen Haufen Kreativität, Sprachkunstfertigkeit und geschliffenen Witz, um ein Publikum in Bann zu ziehen. Vielleicht noch zwei Bommelmützen, aber die sind bei Sebastian Rüger und Frank Smilgies, alias „Ulan & Bator“, ohnehin obligatorisch. Die Mützen sind keine Nebensache, sie markieren einen wichtigen Schritt in dem beziehungsreichen Kabarettprogramm: Mit der Bedeckung des Kopfes entfesseln die bis dahin erschreckend ernsten, in Grau gewandeten Herren ihre surrealistisch-hyperkonkrete Komik und damit die Lachsalven des Publikums.
Dass der Anspruch hoch ist, lässt schon die Anfangsnummer erahnen, in der sich das Duo über das erste Wort der Menschheitsgeschichte auslässt. Nicht ‚Mama‘, wie lange vermutet – unter anderem von Noam Chomsky, einem der intellektuellen Schwergewichte, das in das gedankliche Fundament des Duos eingelassen ist – nein, nicht ‚Mama‘ war das erste Wort, sondern ‚Hobbedit‘. Es wird zum Kern einer Liturgie, in der zwar nicht mehr die Wörter zu verstehen sind, aber die Gesten. Was könnte realistischer sein? So ist die Uniform des Duos Programm. Unter der kindhaften Kopfmaske sind sie Anzugträger, kalte Analysten einer grotesken Gegenwart.
Verbunden mit der Schauspielkunst, die keine Requisiten braucht, produziert man so hochnotkomische Momente. Etwa, wenn der eine, als Zahnarzt mit den Händen im Mund des anderen, dessen Gegurgel anhört, sich für die Leihgabe einer Arno-Schmidt-Biographie (!) bedankt und ungerührt kommentiert: „Brandenburg, ja ja… Betonbrutalismus, das ist richtig… Klopstock und Kotzebue waren ja berühmter als Goethe zu seiner Zeit.“ Vielleicht wirkt die Welt von Ulan und Bator so bizarr, weil man, anders als im vermeintlich echten Leben, hier in intentionslosen Wahrheiten miteinander kommuniziert, die keiner Deutung bedürfen. Schöner kaum zu illustrieren als in der Szene, in der ein Einsamer in die Weite ruft: „Wie heißt der Bürgermeister von Wesel?“ Das Echo antwortet: „Ulrike Westkamp!“
In Momenten wie diesen wird klar, dass das Duo Sprache als plastisches Material verwendet. Der konventionelle Sprachgebrauch wird kurzfristig ausgesetzt, um die Monstrositäten, Fallen und Lügen dieses konventionellen Sprachgebrauchs aufzuzeigen. Und um zu demonstrieren, welche Potentiale im Umgang mit dem Wort liegen – ein schöneres, ehrlicheres als „Zuverzicht“, mit dem das Duo, nun als Band „Lustprinzip“, seinem Publikum Trost spenden möchte, gibt es kaum.
Es ist die Kunst des Quasi-Nonsens, des Beinahe-nicht-mehr-Verständlichen, das im letzten Moment die Kurve kriegt, „Undsinn“ ergibt. So auch der rührende Satz, der Lacher bekommt, aber in Wahrheit auf die Ernsthaftigkeit des Unterfangens verweist: „Ich finde, Leben ist keine schlechte Art, den Tag zu verbringen.“ Das dürften sich auch manche nach dem Programm gedacht haben. Zumindest ein Leben, das durch solch absurd-brillante Komik bereichert wird, hat seinen Reiz.