Direkt zum Inhalt

Veranstaltungsinfo

10.01. - 17.02.2023
19.00 Uhr
Ausstellung

Eintritt frei

zu den Öffnungszeiten des bosco
und während der Abendveranstaltungen
für Gäste der entsprechenden Veranstaltung

< Zurück zur Übersicht > Termin im Kalender eintragen
Veranstalter: Theaterforum Gauting e.V.

Martin Waldbauer: Spuren der Zeit

Martin Waldbauers Serie "Spuren der Zeit" porträtiert Menschen aus dem Landstrich der Grenzregion im Bayerischen Wald. Die Aufnahmen entstanden in der klassisch, analogen Schwarzweissfotografie mit zwei Mittel- und einer Großformatkamera.

Martin Waldbauers Werkgruppe "Spuren der Zeit" beschäftigt sich mit der immer widerkehrenden Frage nach dem "Blick dahinter". Das Suchen und Finden besonderer Situationen und Orte gepaart mit dem Schmelz des besonderen Lichts treibt ihn auf unermüdliche und exzessive Art und Weise in seiner unmittelbaren Umgebung im Bayrischen Wald an. Er verbindet dabei verschiedenste Stilmittel wie Portrait, Landschaft, Stillleben und Dokumentation und blickt dabei mit dem Auge des Fotografen auf das Besondere und Fragile. Erst das Verschachteln dieser unterschiedlichen Arbeiten macht für ihn den gewissen Reiz aus. Es geht ihm dabei weniger um die Kraft und Aura eines einzelnen Gebildes, sondern eher um die Verbindung zweier bzw. mehrerer miteinander.

Waldbauer verknüpft unterschiedliche Bildnisse und schafft es hierbei einen Spannungsbogen zu formen, welcher auf den ersten Blick nicht unbedingt stimmig erscheint, sondern erst bei zweiter Betrachtung und Auseinandersetzung die "besondere" Atmosphäre erreicht. Er spielt mit Kontroversen und sucht nicht nach der Wahrheit, sondern gibt Rätsel auf und regt damit zum Nachdenken an. Ein besonderes Augenmerk des Fotografen gilt dabei den Menschen aus dem Landstrich der Grenzregion im Bayerischen Wald. Waldbauer findet auf Streifzügen immer wieder Menschen, welche ihn durch ihre Erscheinung und Gesichtszüge in den Bann ziehen. Er konzentriert sich hierbei meist auf bestimmte Personengruppen wie alte Bauern, Holzfäller oder Arbeiter. Der "einfache" Mensch bekommt durch ihn eine "Bühne" und wird auf eine erhabene und gleichzeitig schonungslos ehrliche Ebene gestellt. Der Fotograf kommt mit den Menschen ins Gespräch und klärt diese dabei über seine Intension und Vorhaben auf. Das Portrait ist für Waldbauer das zentrale Thema seiner Arbeit, damit definiert und behauptet er sich. Die Menschen werden an den jeweiligen Orten bei natürlichem Licht mit Nordausrichtung porträtiert. Ein besonderes Merkmal der Arbeiten ist die unmittelbare Nähe und der enge Anschnitt der Personen, welche den Bildern einen Sog verleihen, dem man sich nur schwer entziehen kann.

Martin Waldbauer arbeitet in der klassisch, analogen Schwarzweissfotografie mit zwei Mittelformatkameras im Format 6×6 und 6×7 cm und einer Großformatkamera mit der monumentalen Negativgröße von 20×25 cm. Ein essentieller Bestandteil seines Schaffens ist die Interpretation des Negativs in der Dunkelkammer. Die in der Regel mehrfach getonten Silbergelatineabzüge und die sogenannten Lithprints sind das Resultat seiner intensiven Auseinandersetzung mit diesem Medium. Die Lithprints entstehen zum Teil auf alten Barytpapieren, die durchaus 40 bis 60 Jahre in der Packung auf Licht warten. In den konventionellen fotografischen Entwicklungsprozessen können sie nicht mehr eingesetzt werden. Diese Bromsilberpapiere haben demnach einen langen Reifungsprozess hinter sich und sind nur mit Lithtechnik zum Leben zu erwecken. Durch dieses ephemere Grundmaterial sind die meisten seiner Bilder kostbare Unikate.

Zur Eröffnung gibt es ein Gespräch des Fotografen mit Schriftsteller und Heimatforscher Gerd Holzheimer, welches sich um die Themenbereiche Erinnerung, Heimat, Natur und Technik dreht.

Eröffnung & Gespräch Di 10.01.2023 | 19:00 | Eintritt frei, Anmeldung über das Theaterbüro
Literatur Mi 18.01.2023 | 20:00 | Eintritt € 15,00, bis 25 Jahre € 8,00
Film Di 31.01.2023 | 20:00 | Eintritt frei, Anmeldung über das Theaterbüro
Führung So 05.02.2023 | 14:00 | Eintritt frei, Anmeldung über das Theaterbüro
Dauer der Ausstellung Bis Fr 17.02.2023 zu den Öffnungszeiten des bosco und während der Abendveranstaltungen für Gäste der entsprechenden Veranstaltung

Der Besuch unserer Ausstellungen während der Öffnungszeiten des bosco ist frei. Bitte beachten Sie bei Ihrem Besuch die momentan geltenden Corona-Hinweise.

Nach(t)kritik
Jenseits von Zeit und Raum
Nach(t)kritik von Sabine Zaplin

Es sind die Augen. Sie fordern ein Stehenbleiben, Innehalten geradezu ein. Zwingen dazu, einzutauchen in die Geschichten, die sie zu versprechen scheinen. Zeugen von den „Spuren der Zeit“.

„Es sind Bilder einer Welt, die so, auf diese Weise, bald nicht mehr da sein wird“, sagt der Fotograf Martin Waldbauer im Gespräch mit Gerd Holzheimer bei der Eröffnung der Foto-Ausstellung mit dem Titel „Spuren der Zeit“ am Dienstagabend in der Bar Rosso. Überwiegend Portraits von fast ausschließlich alten Menschen versammelt diese Ausstellung. Gesichter, in die sich die Spuren eines harten, oft arbeits-, fast immer entbehrungsreichen Lebens eingegraben haben. Und doch zeugen die auffällig fest blickenden Augen von Selbst-Bewusstsein im besten Sinn des Wortes - hier wissen Menschen, aus welcher Perspektive heraus sie auf die Welt sehen, in den meisten Fällen zumindest.

Martin Waldbauer, so erfährt das Vernissage-Publikum aus dem Gespräch zwischen dem Fotografen Waldbauer und dem Erzähler Holzheimer, ist in einem kleinen Dorf zwischen Bayerischem und Böhmerwald aufgewachsen, die Eltern hatten einen Gasthof und betrieben Landwirtschaft. Und Menschen wie die von ihm Portraitierten sind ihm von klein auf vertraut. „Diese Portraits erzählen mindestens so viel über mich wie über die Portraitierten“, bekennt Waldbauer. Sie erzählen davon, dass hier jemand  einen Anker auszuwerfen versucht gegen die unerbittlich sich wandelnden Gezeiten des Lebens. Diese Augen, in denen das Licht sich sammelt und in denen das Auge des Fotografen sich spiegelt, sie werden zu Ankern, an denen der Blick der Betrachtenden sich festhält.

Seine Motive begegnen Waldbauer unterwegs. Immer wieder packt er seine Kamera und ein Zelt ins Auto und fährt los, Richtung Tschechen. Unterwegs hält er an verlassenen Ortschaften, setzt sich in einsam gelegene Wirtshäuser und versucht, mit den Menschen ins Gespräch zu kommen. Das ist jenseits der bayrisch-tschechischen Grenze nicht immer einfach. Und wenn ihm unterwegs Menschen auffallen, kann es noch schwieriger werden. Da ist das Foto eines Mannes mit zerzaustem, langem grauen Bart und einer auffällig schiefen Nase. Von ihm hat Waldbauer, aus dem Auto heraus, nur den Rücken gesehen - den Rücken eines Landstreichers auf dem Weg nach Budweis. Er fuhr an ihm vorüber, blickte in den Rückspiegel und wusste: den wollte er portraitieren. Er hielt an, sprach den Mann an , doch der verstand ihn nicht. Einzig seine zerstörte Nase erzählte von all dem, was ihm auf der Straße zugestoßen war. Waldnbauer machte vier Aufnahmen von ihm. Dann lud er ihn ein, mitzufahren, nahm ihn mit bis nach Budweis.

Martin Waldbauer arbeitet analog, und so weiß er erst nach der Arbeit in der Dunkelkammer, ob ihm gelungen ist, was ihm während des Fotografierens vorschwebte. „Es ist eine Begegnung ohne Worte“, erzählt er, „ein kurzer Moment, der festgehalten wird.“ Der Landstreicher weiß nichts davon, dass sein Bild nun in einer Ausstellung in Gauting hängt. Ebenso wenig, wie es wohl der Weißhaarige mit den besonders stechenden Augen wissen wird. Zwischen den Augenbrauen steht ihm eine auffällig scharfe, tiefe Falte. Ein Ausrufezeichen, das zum Hinschauen zwingt. „Der hat eigentlich eher ein weiches Gesicht“, berichtet Waldbauer. Er habe ihm während des Fotografierens die Anweisung gegeben, bitte mal etwas finster zu schauen - da offenbarte sich auf einmal die Falte. Aber sie. muss schon da gewesen sein, von der Zeit hineingegraben in das Gesicht des Bauern.

Eine Hundertstel Sekunde wird da einfangen, gedruckt auf jahrzehntealtem Barytpapier mit Hilfe der Lithprint-Technik. So treffen Vergänglichkeit und Ewigkeit aufeinander. Genau davon erzählen die Augen.

Die Ausstellung „Spuren der Zeit“ mit Portraits und Fotografien von Martin Waldnbauer ist bis Freitag, 17-02.2022 zu den Öffnungszeiten des bosco zu sehen. Ein Begleitprogramm mit einer Führung (am 05.02.), einem Literaturabend (am 18.01.) und einem Film (am 31.01.) ergänzen sie. Details dazu sind auf der Homepage und im Programm zu finden.

Galerie
Bilder der Veranstaltung
Di, 10.01.2023 | © Werner Gruban - Theaterforum Gauting e.V.