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Veranstaltungsinfo

Mi, 18.01.2023
20.00 Uhr
Ausstellung | Literatur

15,00 / 8,00

Regulär / bis 25 Jahre

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Veranstalter: Theaterforum Gauting e.V.

"Retten, was noch zu retten ist?": Aus dem Bayerischen Walde - Adalbert Stifter und Martin Waldbauer

Einer beinahe unausrottbaren Mär zufolge gilt Adalbert Stifter als langweiliger, zumindest langatmiger Autor. Man kann seine Texte aber auch als geradezu erschreckend modern empfinden, indem er versucht, in seinen Satzgebilden eine Welt zusammenzuschrauben, die er auf dem Weg in den Untergang sieht.

Schier verzweifelt versucht er, jedes Detail festzuhalten. Darin bildet sich der Versuch ab, noch einmal alles zusammenhalten zu wollen, was in dieser Welt auseinanderfliegt. Der große Kritiker Hans Weigel aus Wien sieht Stifter nicht nur als intellektuellen Zeitgenossen, sondern namentlich in einer Reihe mit bedeutenden Begründern der Moderne wie Sigmund Freud, Arthur Schnitzler, Karl Kraus oder Franz Kafka.

Peter Weiß verleiht Adalbert Stifter seine Stimme. Er ist Schauspieler und künstlerischer Sprecher beim Bayerischen Rundfunk. Theaterengagements fü̈hrten ihn u.a. nach Frankfurt, Salzburg und München. Er spielt in zahlreichen Filmen und Fernsehproduktionen.
Gerd Holzheimer führt in den Text ein und schlägt eine Brücke zu den Aufnahmen von Martin Waldbauer aus dem Bayerischen Wald.

Zur Ausstellung
Martin Waldbauers Serie "Spuren der Zeit" porträtiert Menschen aus dem Landstrich der Grenzregion im Bayerischen Wald. Die Aufnahmen entstanden in der klassisch, analogen Schwarzweissfotografie mit zwei Mittel- und einer Großformatkamera.

Eröffnung & Gespräch Di 10.01.2023 | 19:00 | Eintritt frei, Anmeldung über das Theaterbüro
Literatur Mi 18.01.2023 | 20:00 | Eintritt € 15,00, bis 25 Jahre € 8,00
Film Di 31.01.2023 | 20:00 | Eintritt frei, Anmeldung über das Theaterbüro
Führung So 05.02.2023 | 14:00 | Eintritt frei, Anmeldung über das Theaterbüro
Dauer der Ausstellung Bis Fr 17.02.2023 zu den Öffnungszeiten des bosco und während der Abendveranstaltungen für Gäste der entsprechenden Veranstaltung

Der Besuch unserer Ausstellungen während der Öffnungszeiten des bosco ist frei. Bitte beachten Sie bei Ihrem Besuch die momentan geltenden Corona-Hinweise.

Nach(t)kritik
Im Kleinsten schon das ganze Große
Nach(t)kritik von Sabine Zaplin

Eine Begegnung auf Augenhöhe, im wahrsten Sinn des Wortes, war der Abend mit einer Erzählung von Adalbert Stifter inmitten der Ausstellung „Spuren der Zeit“ mit Fotos von Martin Waldbauer. Denn während Schauspieler Peter Weiß und Schriftsteller Gerd Holzheimer sich mit Stifters letzter Erzählung, „Aus dem Bayerischen Walde“, beschäftigten, schien es, als blickten die Portraitierten, alles Menschen aus dem Bayerisch-Böhmischen Wald, mal zustimmend, mal skeptisch, immer aber aufmerksam teilnehmend, auf Akteure und Publikum und vor allem tief hinein in die Geschichte von Stifter.

„Es möge mir erlaubt sein, ein Ereignis aus meinem Leben zu erzählen,“ beginnt die Erzählung. Dieses Ereignis ist ein Naturspektakel, das in unserer vom Klimawandel schon deutlich gezeichneten Gegenwart durchaus vorkommt, zuletzt in Nordamerika: ein unerwartet heftiger, zerstörerischer Schneesturm. Dieser sich langsam aufbauenden, dann ebenso unerbittlich wie kraftvoll und vor allem unaufhaltsam geschehenden Katastrophe entspricht die Stiftersche Dramaturgie mit einer Konsequenz, die in dieser Form tatsächlich erst in der Moderne zu finden ist. Einem Bewusstseins-Strom gleich, lässt der Erzähler sein Lesepublikum unmittelbar teilhaben an jenem Ereignis, lässt es direkt miterleben, wie der Ich-Erzähler einen Besuch bei der in Linz weilenden erkrankten Frau plant und vorbereitet, wie ihn kurz vor der Abfahrt der Sturm überrascht und wie er schließlich, dem Wetterphänomen zum Trotz, sich dennoch auf den Weg macht und dabei immer wieder an seine Grenzen kommt.

Mit gutem Gespür für Tempo und Dramatik nimmt Peter Weiß das Bosco-Publikum mit auf diese Reise, mitten hinein in den Schneesturm. Mit sichtlichem Vergnügen taucht er ein in Stifters Sprache und offenbart deren große Stärke, mit Worten zu malen. Stifter sei nie sein Herzensdichter gewesen, bekennt Gerd Holzheimer, der die Erzählung als eine literarische Antwort auf Waldbauers Portraitfotos ausgewählt hat, „aber mit keinem anderen habe ich mich so lange und vor allem immer wieder beschäftigt.“ So erinnert er sich, als Schüler mit der Erzählung „Der Waldsteig“ eher von diesem Dichter abgeschreckt worden zu sein - „absolut tödlich, man hält´s nicht aus.“ Dennoch habe er, einige Jahre später, als er mit ehemaligen.Klassenkameraden eine Wanderung von Linz aus unternommen hat, nachts im Schein der Taschenlampe aus eben diesem „Waldsteig“ vorgelesen, Cliffhanger inklusive. Und im Laufe seines Literatenlebens habe er immer wieder zu Texten von Adalbert Stifter gegriffen, darin gelesen und Überraschendes entdeckt. Dessen Anliegen, im Kleinsten zugleich immer schon das Größte zu erkennen, hat ihn diesen immer wieder neu bewundern lassen.

Einen Eindruck davon, wie der Schriftsteller Adalbert Stifter dies gestaltet, konnte in der bar rosso gewonnen werden - inmitten der Gesichter, deren Geschichten die Portraitfotos von Martin Waldbauer offenbaren: gerade in dem, was sich nur beiläufig und eher unbemerkt vermittelt, verbirgt sich das Große, das unwerwartete Ereignis. Wie einfach scheint eine Reise durch den Bayerischen Wald. Und wie unerwartet mächtig ist die Gewalt der Natur, dass sie imstande ist, diese zu verhindern und Pläne zunichte zu machen. Eine ganz kleine Ahnung stellte sich beim Verlassen des bosco ein, als sachte und nur im Gegenlicht erkennbar erste zarte Schneeflocken herabrieselten…

Galerie
Bilder der Veranstaltung
Mi, 18.01.2023 | © Werner Gruban - Theaterforum Gauting e.V.